: Perspektive in Freiheit
■ Der „Golden Pudels Club“ wird fünf und feiert heute im Schauspielhaus. Nicht dabei: Die sechs letzten RAF-Gefangenen
Mit dem Song „Was ist geblieben von dem was bleibt“ stellte 1985 die Mönchengladbacher Punkband EA80 eine Frage, die heute einer Mindestbedenkzeit von drei Tagen bedarf, um beantwortet werden zu können. Denn mittlerweile haftet sie so grundsätzlich und unentzerrbar der Linken und ihrer Subkultur an, dass sie fast schon erschlagend wirkt. Dass Nichts in diesem Zusammenhang die falsche Antwort auf die Frage ist, bedeutet Hoffnung in lausigen Zeiten und nützt dennoch nur etwas, wenn man dran bleibt – in Bewegung. Aber was hat das mit dem fünften Geburtstag eines von dutzenden Musikclubs in Hamburg zu tun?
Die Macher plus Anhang des Golden Pudel Clubs kommen aus jener subkulturellen Linken, für die Independent mehr als eine musikalische Stilrichtung war, nämlich die Arbeit in, für und mit der Struktur bedeutete. Bevor der Pudel vor fünf Jahren in das Haus am Hafen zog, wurden in verschiedenen Räumlichkeiten sporadisch Partys veranstaltet, bis man sich entschloss, einen richtigen Laden zu machen, aber ohne Knebelvertrag mit Brauereien oder anderen Sponsoren. Schorsch Kamerun, einer der Macher des Pudels, Sänger der Goldenen Zitronen und Musiker diverser anderer Projekte, meint, dass es „die Authentizität ist“, die den Laden funktionieren lässt. Ob für alle BesucherInnen die Andersartigkeit klar oder nur spürbar ist, weiß auch er nicht zu sagen: „Was die Leute wollen und was nicht, verschwimmt mir zunehmend.“ Kein Grund für die Kulturschaffenden rund um den Club, die roten Fäden zu kappen, selbstverständlich aber immer auf der Suche nach neuen, zeitgenössischen Formen.
Ihren Wurzeln entsprechend war es dann auch keine Frage, dass auf der Geburtstagsfeier am 3. Dezember die Initiative das weite suchen – die letzten 6 gefangenen aus der RAF müssen raus! bedingungslos. basta! vertreten sein wird. Die Initiative will zunächst in Veranstaltungen verschiedenster Art über die politischen und subkulturellen Ursprünge der Guerilla reden. Verstehen, wieso, weshalb, warum, um dann eine Perspektive in Freiheit für die Gefangenen zu entwickeln, ist das Ziel.
Die Pudels-Gala wird um Punkt 21 Uhr im großen Saal des Schauspielhauses mit dem Hörspiel schreibt auf. unsere haut. – Projekt RAF eröffnet. Nach Briefen, die RAF-Gefangene in den Jahren 1973 bis 1977 aus den Knästen schrieben, hat Paul Plamper dieses Hörspiel verfasst. Der Regisseur wird selbst anwesend sein und sich später mit verschiedenen Ex-RAF-Gefangenen dem Gespräch stellen. Im Marmorsaal werden dann auch diverse Filme zu sein, die der vorherrschenden Enthistorisierung und Ästhetisierung linker Geschichte entgegenwirken wollen. Später wird gefeiert: mit Rocko Schamoni und seinen Eltern, Sylvester Boy, Jaques Palminger, Knarf Rellöm Ism, DJ Patrick Pulsinger, DJ Koze, DJ Hell u.a..
Tina Petersen
heute, Schauspielhaus, 21 Uhr
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen