Vergessene Folterzentrale

Ehemalige Berliner Gestapo-Leitstelle droht, in Vergessenheit zu geraten / Zwei von ehemals fünf Häusern in der Burgstraße stehen noch  ■ Von Christoph Dowe

Die Burgstraße in Berlin-Mitte war während der Nazi-Zeit für die Jüdische Gemeinde eine Schreckensadresse. Dort lag die Leitstelle der Berliner Gestapo, die mit der Reichs-Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße die Deportation von 50.000 Berliner Juden nach Auschwitz und Theresienstadt mitorganisierte. Hier sammelten sich die Nazi-Schergen, bevor sie Juden aus ihren Wohnungen holten, um sie in die Vernichtungslager abzutransportieren. In den Kellerräumen wurde gefoltert.

Nichts erinnert heute an die Geschichte dieses Orts, der droht, in Vergessenheit zu geraten. Von ehemals fünf Gebäuden gegenüber der Museumsinsel stehen noch zwei. Sie haben die Hausnummer 26 und 27. Drei Häuser, die unmittelbar am S-Bahnhof Börse – heute Hackescher Markt – lagen, wurden durch Bomben zerstört. In der Gedenktafelkommission des Bezirks Mitte wird nun erwogen, diesen zentralen Ort des Schreckens kenntlich zu machen. Noch zögert man, weil die Hausnummern nicht eindeutig seien.

Tatsächlich wird die Burgstraße als „schwarzes Loch in der Holocaust-Forschung“ bezeichnet. Im großen Stil scheinen im März 1945 Akten vernichtet worden zu sein, die die Arbeit der Leitstelle dokumentierten. Sicher ist, daß die Hausnummern 26 und 28 von der Gestapo-Berlin genutzt wurden. In Zimmer 306 hat der berüchtigte Leitstellen-Vize Franz Wilhelm Prüfer sein Unwesen getrieben. In dem Gebäude Nr. 26, das heute von der Humboldt-Universität genutzt wird, gibt es eine solche Zimmernummer auch heute noch. Die „Topographie des Terrors“ gibt an, daß sich im Haus Nr. 26 die Referate II C und III A 3 – Technik und Verwaltung – der Gestapo- Leitstelle Berlin befanden. Doch eine alte Vorladung legt nahe, daß Prüfers Judenreferat in dem nicht mehr existenten Haus Nummer 28 saß. Diese Adresse geht auch aus einem „Leitungsplan der Fernsprechverbindungen“ hervor. Durch einen Telefonbucheintrag aus dem Jahr 1943 wird klar, daß auch die Nummer 29 von der Polizei genutzt wurde, unter anderem für „Judenangelegenheiten“.

„Es wird vermutet, daß die Keller aller Häuser miteinander verbunden waren“, sagt Hausmeister Redlich vom Kino „Börse“. Tatsächlich sieht man in den ehemals riesigen Kellerräumen der Nummer 27 noch die Reste von Durchgängen zu angrenzenden Grundstücken. In der Nummer 26 sind im Keller noch zwei Tresorräume mit 40 cm dicken Stahltüren zu finden. Überlebende berichteten von Folterungen in den Kellerräumen: „Ich sollte unbedingt Namen angeben, aber ich weigerte mich“, schrieb beispielsweise der Zimmermannslehrling Rolf Joseph. „Da führten sie mich in den Keller, banden mir Hände und Füße zusammen und schnallten mich über eine Holzkiste. Dann bekam ich mit einem Ochsenziemer fünfundzwanzig Hiebe auf das nackte Hinterteil. Ich mußte laut zählen.“

Mitte der achtziger Jahre wurden die Reste des Hauses Nummer 28 beseitigt. Die Anwohnerin Vera Breitwieser rettete im letzten Moment einige Metallringe, an denen offensichtlich Menschen gefesselt wurden. Auch Menschenknochen hat sie gefunden. „Ich stieß auf Zeitzeugen in der Burgstraße 22“, berichtet sie. „Dort lebte noch bis vor 15 Jahren ein alter ungarischer Jude, der früher an diese Ringe gefesselt war und mißhandelt wurde. Er überlebte nur, weil er für die Uniformschneiderei im Hinterhof arbeiten konnte.“ Der Backsteinbau der Schneiderei steht auch heute noch, halb verfallen.

„Auf diesen Ort sollte hingewiesen werden“, meint folgerichtig der Leiter der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“, Johannes Tuchel. Dort sei ein „Stein des Anstoßes“ angebracht, der auf die unrühmliche Geschichte aufmerksam macht. Andreas Sander von der „Topographie“ sieht das genauso, denn: „Für Berlin ist das ein ganz zentraler Ort gewesen.“