Vom Shell-Boykott und anderen Entsorgungsproblemen Von Klaudia Brunst

Natürlich hatten wir diesmal nicht bei Shell getankt. Von wegen Brent Spar und so. Allerdings verzögerte sich unsere Abreise zum Kölner Medienforum dadurch um eine gute Stunde. Denn die Alternativen sind selbst in einer Metropole wie Berlin doch sehr rar. Zu DEA fahren wir schon seit 1989 nicht mehr. Denn DEA war früher Texaco und ist im übrigen jetzt RWE, also Atom, und außerdem gab es da 89 den Boykott wegen der Ölförderung im Wattenmeer. BP geht auch nicht. Wie der Name British Petrol schon sagt, haben die auch Ölplattformen in der Nordsee, und die Piper Alpha soll ihnen schließlich nicht umsonst um die Ohren geflogen sein.

Zu „Esso“ fällt einem immer noch „Alaska“ ein, und unsere Ökoredaktion rät auf Anfrage sowieso längst zu der absolut radikalen Devise „gar nicht tanken“. Aber für Hunde gibt es immer noch keine Bahncards. Und den vollen halben Preis können wir uns von meinem ökologisch korrekt sparsamen taz-Gehalt leider nicht leisten.

Gegen Mittag waren wir dann endlich auf der Autobahn Richtung Westdeutschland. Bis meine Freundin dringend aufs Klo mußte. „Fahr mal die nächste Raste raus“, meinte sie, „dann können wir auch noch nachtanken. Bis Köln kommen wir sowieso nicht in einem Rutsch.“ Das Autobahnhinweisschild annoncierte uns die nächste Raststätte in 5 Kilometern – natürlich eine Shell-Station. „Da können wir selbstverständlich nicht tanken“, wandte ich ein, „ich muß die Tankquittungen doch im Büro einreichen. Mit Shell kann ich da nun wirklich nicht kommen.“ – „Aber ich muß mal“, knatschte meine Freundin, „pinkeln wird man doch wohl noch dürfen, oder?“

Eine schwierige Frage. Einerseits hat man natürlich ein Grundrecht auf Erledigung seiner Basisbedürfnisse. Andererseits wissen die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer ja nicht, daß wir war bei Shell abfahren, den Konzern aber trotzdem boykottieren. „Man müßte das irgendwie transparent machen“, überlegte meine Freundin. Denn bei Licht betrachtet, wäre so ein Shell-Pinkelstopp ja geradezu die perfekte subversive Sabotageaktion. Würde man doch schließlich mit der Betätigung der Klospülung die Ressourcen des Multis reduzieren, ohne dafür im Gegenzug ein Geschäft – das Tanken nämlich – zu tätigen. „Aber irgendwie ist das ja auch unfair gegenüber dem Pächter“, wandte ich ein. „Der kann doch schließlich nichts dafür, daß die Engländer so einen Bockmist bauen.“ – „Darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen“, meinte meine Freundin bestimmt, „ich muß jetzt endlich!“

Also doch ran an die Shell-Station. Mit hochrotem Kopf brausten wir an dem einsamen Tankwart vorbei, der uns gerne mit Handschlag und einem Flugblatt begrüßt hätte, das wohl das ökologisch fortschrittliche Konzept seines Unternehmens erklären sollte. Am Hintereingang schaute sich meine Freundin noch einmal diskret um („ob mich vielleicht hier doch jemand kennt“) und rannte dann zum Damenklo. Die Tür war verschlossen. „Bitte wenden Sie sich an den Tankwart. Wir montieren derzeit neue Wasser-Spar-Spülungen“, stand auf einem Schild. „Der Umwelt zuliebe.“

„Jetzt gehe ich in die Büsche“, stöhnte meine Freundin. „Ist doch ökologisch abbaubar, oder?“