: Teer pro und contra Natur
■ Im Hollerland kann für den Naturschutz geskatet werden / Grund: Der Jan Reiners Weg ist frisch geteert / Gemein: schon das zweite Teer-Attentat auf Findling
Ein großer Teerfleck prangt auf dem Hollerland-Gedenkstein. Nur noch erahnen kann man darunter den weißen Schriftzug „Hände weg vom Hollerland“. Den hatte Gerold Janssen von der „Initiative für den Erhalt des Hollerlandes“ 1985 auf dem Findling angebracht, den er einem Bauern aus der Umgebung abgeschnackt hatte.
Schon das zweite Mal wurde nun ein Teeranschlag auf den symbolträchtigen Stein verübt. Damals wie heute wurde offensichtlich eine Flasche mit heißem Teer mitten auf den Stein geschleudert, so dass im Teer viele kleine Scherben stecken blieben. Janssen lässt sich jedoch nicht verdrießen: „Den kriege ich schon wieder hin. Muss nur ein bisschen auf meine Finger aufpassen. Zur Not male ich den Schriftzug einfach wieder drüber. Dann kann jeder sehen, was diese Leute machen.“ „Diese Leute“, das sind die Befürworter einer Entlastungsstraße quer durch das Naturschutzgebiet, der so genannten Hollerland-Trasse. Janssen vermutet, dass sie hinter dem Teer-Attentat stecken.
Aber eigentlich hat die Bürger-initiative Grund zu Freude. Und der hat ebenfalls mit Teer zu tun: Die Baubehörde hat den Jan-Reiners-Weg neu teeren lassen, der das Hollerland quert. Was normalerweise unter Naturschützern keine Jubelschreie auslöst, fand in diesem Fall durchaus ihre Zustimmung. Janssen, vom Land mit der ehrenamtlichen Naturschutzwacht über das Gebiet betraut, erläutert: „Der Teerbelag war seit Jahren völlig hinüber. Das hat Besucher abgeschreckt und den Naherholungswert geschmälert.“ Sogar der Abholzung einiger Weiden und Pappeln am Wegesrand stimmt Janssen zu: „Die Bäume haben mit ihren flachen Wurzeln die Teerdecke immer wieder aufgebrochen. Und die Wiesen- und Watvögel brauchen auch ein wenig freie Sicht.“
Nun hat der Jan-Reiners-Weg eine frische Teerdecke, die so glatt ist wie der sprichwörtliche Babypopo. Und damit ist im Hollerland ein neues Skaterparadies entstanden. Der Jan-Reiners-Weg ermöglicht nun die Nord-Süd-Querung des Areals und schafft eine Verbindung nach Lilienthal und zum Wümmedeich. Auch zum Kuhgrabensee und ins Blockland bestehen asphaltierte Zufahrten.
Janssen hofft nun, dass viele Skater, Radfahrer und Wanderer das Hollerland für sich als Naherholungsgebiet (wieder)entdecken und sich für die Natur begeistern. „Für uns ist Naturschutz kein Selbstzweck. Auch wir Menschen profitieren davon. Viele wollen das nur nicht wissen.“ sagt der Umwelt-Aktivist. Vielleicht kann er bald auf den einen oder anderen Sportler als Mitstreiter für den Erhalt des Hollerlandes als Naturschutzgebiet zählen. Aus der Skater-Szene wurde Janssen schon Unterstützung für eine gemeinsame Demonstration auf Fahrrädern und Inline-Skates zugesagt.
Als Nebeneffekt könnte die Verlagerung der Rollsport-Aktivitäten ins Hollerland auch zu einer Entspannung im Oberblockland führen. Die dort ansässigen Landwirte hatten bereits wiederholt beklagt, dass der massive Freizeit-Verkehr auf den Wirtschaftswegen sie beim Einbringen der Ernten behindere.
Trotz solch verlockender Aussichten ist das Hollerland nach wie vor in Gefahr: Mit „Bestürzung“ nahm die Bürgerinitiative die Äußerung von Bürgermeister Henning Scherf zur Kenntnis, wonach das Hollerland bei Investitionszusagen in Höhe von einer Milliarde Mark zur Disposition stünde. BI-Sprecher Dieter Mazur stellt die Frage, ab welcher Investitionssumme dann der brasilianische Präsident der kompletten Abholzung des tropischen Regenwaldes zustimmen dürfe.
Die Initiative legt Wert auf die Feststellung, dass die von ihr gesammelten Unterschriften für den Erhalt des Hollerlandes nur in Kopie an den Bürgermeister überreicht wurden (taz berichtete). Die Originale soll eine Delegation der zuständigen EU-Kommissarin in Brüssel übergeben. Damit will die Initiative darauf hinweisen, dass Bremen seiner Pflicht zur Meldung des Hollerlands als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet nicht nachkomme. Im Senat wird indessen heute über eine Vorlage beraten, nach der zunächst nur die unstrittigen Naturschutzgebiete an die EU gemeldet werden sollen. Über die umstrittenen Gebiete wie etwa das Hollerland, Niedervieland West oder Wedde Warden sollen zunächst noch weitere Expertisen eingeholt werden. not
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