Ausländeranteil steigt auf 50 Prozent

■ In Ballungsgebieten werden künftig immer mehr AusländerInnen leben. Kommission legt Zukunftspapier zur Immigration vor

Berlin (taz) – Jede zweite Weißwurst der bajuwarischen Hauptstadt könnte in dreißig Jahren ein Döner sein. Denn in München ebenso wie in Stuttgart ist bis zum Jahr 2030 mit einem AusländerInnenanteil von fünfzig Prozent zu rechnen. Frankfurt am Main, wo heute schon Menschen aus 181 Nationen leben, könnte sogar auf sechzig Prozent Migranten kommen. Die von dem baden-württembergischen Minsterpräsident Erwin Teufel eingesetzte „Zukunftskommission Gesellschaft 2000“ legte diese Woche einen Bericht vor, der sich mit dem AusländerInnenanstieg beschäftigt.

Die Zuwanderung solle nicht als „Bedrohung“, sondern als „Chance für den Test des interkulturellen Zusammenlebens“ angesehen werden, empfehlen die Experten unter Vorsitz des Präsidenten der Alexander von Humboldt Stiftung, Wolfgang Frühwald. Weshalb hier künftige Realität als Test“ angesehen wird, ist jedoch nicht ersichtlich. Fest steht: Die Ausländerinnen werden in die deutschen Großstädte ziehen.

Bevölkerungsforscher Rainer Münz, dessen Ergebnisse die Grundlage der Zukunftskommission bilden, erläutert den kommenden „Migrantenboom“: „Ausländer suchen ebenso wie Inländer die Regionen aus, in denen Arbeitslosenzahlen niedrig sind.“ Das sei in den Ballungsräumen des Rhein-Main-Gebiets und im süddeutschen Raum so. „Die Dörfer in Mecklenburg werden sich dagegen nicht mit Migranten füllen,“ erläutert Münz. Auf den Dörfern werde es nach wie vor wenig Ausländer geben.

Insgesamt setzt das Zukunftspapier aus Baden-Württemberg auf multikulturelles Miteinander. Auf die Gretchenfrage: „Und wie hältst du es mit der Religion?“ bekennen sich die AutorInnen des Zukunftspapiersverfassunggetreu zur Freiheit der Religion. Da insbesondere die musilimische Gemeinschaft wächst, macht die Kommission Vorschläge zum schulischen Islamunterricht. So könnte demnächst in Baden-Würtemberg als erstem Bundesland Islamkunde in „Verantwortung einer muslimischen Vertretung“ liegen.

Bisher ist in Baden-Würtemberg die Islamkunde Teil des Muttersprachunterrichts unter Obhut des Staates. Das soll sich ändern, aber nicht ganz. Eine „noch zu findende“ muslimische Vertretung soll künftig mithelfen, eine eigene Lehrerausbildung im Land zu konzipieren. Wie weit deren Einfluss reichen soll, ist allerdings noch nicht klar, denn die Landesregierung will die Lehrerausbildung „nicht gänzlich“ islamischen Gruppen überlassen. Wenn einige der Gruppen bereit seien, mit dem deutschen Staat zusammenzuarbeiten, „lohne sich der Versuch“, schreiben die AutorInnen des Zukunftspapiers. Isabelle Siemes