: Armut als Produktionshemmnis
Die kritisierten Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds sollen zu Bestandteilen der Armutsbekämpfung werden ■ Von Katharina Koufen
Berlin (taz ) – „Dept for Poverty Relief“: Schuldenerlass soll an Armutsbekämpfung gekoppelt werden – so hat es die Ministerkonferenz bei der letzten Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Washington beschlossen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul feierte dies als ihren Sieg, errungen nach der Initiative der deutschen Regierung beim G7-Gipfel im Juni diesen Jahres in Köln.
Für diese Entschuldung können sich Länder qualifizieren, die bei der Weltbank Kredite zu den günstigsten Bedingungen, den so genannten „IDA-Only-Status“, erhalten – zu Zinsen, die mit 0,5 bis 2 Prozent weit unter dem Marktniveau liegen. Außerdem müssen diese Länder einen Schuldenstand aufweisen, der mehr als 150 Prozent der Exporte oder mehr als 250 Prozent der Staatseinnahmen ausmacht. Diese Kriterien erfüllen derzeit 36 Staaten.
Laut Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sollen „länderspezifische Strategien der Armutsbekämpfung“ entwickelt werden, die den Orientierungsrahmen bilden – sowohl für die nationale Politik, als auch für die beiden großen Gläubiger, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank. Bislang ging es vor allem dem IWF in erster Linie darum, bei den hochverschuldeten Staaten die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen – damit die Kredite bedient werden konnten. Die IWF-Programme berücksichtigten die sozialen Folgen nicht.
Nun sollen die Strukturanpassungsprogramme des IWF zu „Bestandteilen der Armutsbekämpfung“ werden. Dafür hat der Währungsfonds eine neue Kreditlinie geschaffen: die „Armutsbekämfpungs- und Wachstumsfazilität“. Armut „schwächt die Möglichkeiten der Bevölkerung, sich an produktiven Tätigkeiten zu beteiligen“, so der scheidende IWF-Direktor Michel Camdessus zur Begründung. „Nur auf ein Durchsickern des Wohlstands zu warten reicht nicht“, findet auch die deutsche Ministerin.
Neu an „Dept for Poverty Relief“ ist aber vor allem: Die Federführung liegt bei den Regierungungen der betroffenen Länder. Dem ging die Erkenntnis voraus: Die bislang propagierten Strukturanpassungsprogramme, die darauf abzielen, den Staatshaushalt zu sanieren, und als Wundermittel gegen verkorkste Wirtschaftspolitik verabreicht werden, sind zu wenig flexibel: Staatsmonopole beseitigen und staatliche Betriebe privatisieren, den Export fördern und ausländische Investoren ins Land holen – dafür steht die Strukturanpassung bislang.
Doch die Ursachen für Armut können von Land zu Land unterschiedlich sein. Folglich sind auch die Mittel, mit denen die Armut bekämpft werden kann, verschieden: Ein Land, in dem überwiegend Monokultur betrieben wird, etwa mit Bananenplantagen, muss seine Wirtschaft eher diversifizieren, während es für eine anderes Land durchaus Sinn machen kann, sich auf den Export bestimmter Produkte zu konzentrieren – wie es etwa einige der asiatischen Tiger erfolgreich mit billiger High-Tech-Ware geschafft haben.
Die Idee, dass die Regierung eines verschuldeten Lands selbst bestimmt, wie es Armut bekämpfen will – in der Praxis scheint sie schwer durchführbar. Gut möglich, dass solche Programme zu einer Erhöhung der Staatsausgaben führen und damit einem Ziel der Strukturanpassung, nämlich die Reduzierung des Staatshaushalts, widersprechen. „Fokussierung“ – so nennt die Weltbank die Auflösung dieses Widerspruchs: Die staatlichen Mittel werden zwar gekürzt, gleichzeitig aber auf die Ärmsten konzentriert. Statt eine staatliche Mindestversorgung für alle zu garantieren, sollen nur die Allerärmsten unterstützt werden, etwa durch Wohnungsbau. Allerdings sind in den hochverschuldeten Ländern Afrikas oder Lateinamerikas auch die arm, die nicht zu den 10 oder 20 Prozent der Ärmsten gehören. Von der Kürzung staatlicher Mittel wären sie besonders betroffen.
Womöglich findet bei der Weltbank und beim Währungsfonds tatsächlich ein Umdenken statt. Entwicklungsverbände äußern sich jedoch skeptisch, wie die hehren Beschlüsse umgesetzt werden sollen. „Sind die Weltbank und der IWF jetzt für Entwicklungspolitik zuständig?“, fragt sich ein Schuldenexperte von „Südwind“. Wenn das bedeute, dass die bilaterale Entwicklungshilfe sich da unterordnen müsse – „dann halte ich das für bedenklich“. Schließlich ist der Währungsfonds eine Finanzinstitution, die ihre Entscheidungen hinter verschlossenen Türen trifft. Zudem richtet sich das Mitspracherecht nach der Höhe der Sonderziehungsrechte, der Beiträge also, die jedes Land beim Fonds einzahlt: Die USA hat folglich am meisten zu sagen, viele Entwicklungsländer hingegen erhalten so gut wie nie die Chance.
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