Liebes-Netzwerk

„Theoretisch sind Geschenke freiwillig“, schrieb der französische Philosoph Marcel Mauss schon 1925. Doch „in Wirklichkeit besteht der Zwang, sie zu bezahlen“. In seinem Standardwerk zum Thema Schenken, „Die Gabe“, hielt Mauss das Geschenk für einen archaischen Bestandteil männlicher Balzrituale.

Männer, so haben gleich Generationen von Soziologen später behauptet, schenken vor allem, um ihre Frauen auf den eigenen Status hinzuweisen: Je hochkarätiger der Klunker, desto besser steht ihr Macker da. Neuere Befunde ergeben zwar, dass Frauen häufiger beschenkt werden als Männer, andererseits schenken sie auch mehr.

Nicht nur dieser verwirrende Umstand lässt den Soziologen Gerhard Schmied ganz andere Schlüsse ziehen. In seinem Buch „Schenken“ analysiert er das Austauschen von Gaben als eine Form des sozialen Handelns par excellence: Schenken hat die Funktion, soziale Beziehungen zu bekräftigen, „wer schenkt, will binden“. Glauben wir Schmied, so verfügt die Frau hier an sich über mehr soziale Kompetenz: „Auf diese Weise schaffen sich Frauen so etwas wie ein Netzwerk aus Liebe.“

Männer schenken seltener, am seltensten beschenken Männer Männer. Sagt Schmied. Männer stecken lieber jemandem etwas zu: Autos, Schecks, Posten. Dafür wollen sie dann später etwas haben. Dem Ansatz Schmieds folgend, hat Schenken und Annehmen von Geschenken also meistens nichts mit Freiwilligkeit zu tun. Im Gegenteil: Ein Terror sozialer Verpflichtungen wird entfacht. Allein die Mutter schenkt selbstlos, der Rest hetzt nicht zuletzt an Weihnachten durch die Geschäfte, um sich einen „emotionalen Vorsprung“ zu verschaffen: Der oder die Beschenkte wird so lange nicht ruhen können, bis er oder sie ein Gegengeschenk gefunden hat. Mit dem Schenken ist es also wie mit der Liebe, von nichts kommt auch nichts. MR