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Große Koalition gegen populistische Rechte

■ In Chile ist der Fall des Diktators Pinochet im Wahlkampf um das Präsidentenamt kein Thema. Denn der rechte Kandidat verkauft sich als modern und verspricht frischen Wind

Buenos Aires (taz) – Bei den Präsidentenwahlen in Chile an diesem Sonntag stehen sich ein Sozialist und ein Rechtsaußen gegenüber. Damit hat zum ersten Mal seit der Militärdiktatur (1973–1990) wieder ein Sozialist die Chance Präsident zu werden. Aber auch für die extreme Rechte ist es die erste Gelegenheit, nach der Diktatur das Zepter wieder in die Hand zu nehmen.

Der Wahlkampf war Fiesta statt Politik und wurde mit Latino-Beats statt langweiliger Reden geführt. Im Wahlkampf nach US-amerikanischem Muster störten die Inhalte nur. Spotlight für Myriam Hernández, eine der beliebtesten Sängerinnen Chiles: „Viva el amor! Viva Chile!“, ruft sie. So präsentiert sich die extreme Rechte. Ihr Kandidat Joaquin Lavin von der Unabhängigen Demokratischen Union (UDI) bringt es in Umfragen auf knapp 40 Prozent. Angekündigt wird er wie ein Boxer vor dem Kampf: „Und jetzt, der nächste Präsident Chiles – Jooooaaaaquin Laaavvviiinn!“ Chiles Rechte schnuppert Morgenluft.

Lavins Gegner, der Sozialist Ricardo Lagos, kommt etwas trockener daher und führt seinen Wahlkampf nach altem Muster. Allen Prognosen zufolge dürfte es für Lagos am Sonntag nicht im ersten Anlauf reichen, sondern er wird am 16. Januar in einer zweiten Runde gegen Lavin antreten müssen.

Seit zehn Jahren regiert in Chile eine große Koalition aus Sozialisten und Christdemokraten. Der 61-jährige Jurist und Ökonom Lagos hat angekündigt, diese Koalition im Falle eines Wahlsieges weiterzuführen. Denn es ist es ausgeschlossen, dass es für ihn alleine reichen könnte. „Die 90er-Jahre waren das erfolgreichste Jahrzehnt in der Geschichte Chiles“, wirbt die „Concertación“ aus Sozialisten und Christdemokraten. Das neoliberale Modelland hat abgewirtschaftet und bleibt eine vom Kupferexport abhängige Ökonomie. Seit dem Pazifikanrainer Chile die asiatischen Märkte weggebrochen sind, stehen die Zeichen auf Krise. Die offizielle Arbeitslosenquote stieg von 5,5 auf 11,5 Prozent. Die Hochzinspolitik führte dazu, dass viele kleinere Firmen schließen mussten.

Mit weißem Hemd und Siegerlächeln steigt Lavin auf die Wahlkampfbühne und verspricht, alles anders zu machen: „Tief im Herzen sind alle Chilenen für den politischen Wechsel“, sagt er. „Ich bin der Kandidat des Friedens, mit mir gibt es keine Konfrontation“, verspricht der Rechtsaußen. Der 46-Jährige hat an der Universität von Chicago die neoliberalen Gesetze der Wirtschaft studiert und war Berater des Pinochet-Regimes. Sein Diskurs hat wenig mit dem der traditionellen Rechten gemein. Die klassischen Politikmuster sieht er als überholt an: „Arme gegen Reiche, Unternehmer gegen Angestellte, Linke gegen Rechte – daran glaube ich nicht mehr“, sagt er. Stammtisch-Ressentiments gegen Politiker formt er geschickt zu einem populistischen Programm.

„Die unnötigen Streitereien müssen aufhören. Ich werde meine Kräfte auf die Lösung der Probleme unseres Landes verwenden: Drogensucht, Gewalt, Gesundheitsvorsorge und Arbeitslosigkeit.“ Eine Million Arbeitsplätze will er schaffen, das Präsidentenflugzeug verkaufen und bei Reisen ins Landesinnere in den Häusern der Armen sein Nachtlager aufschlagen. In Verträgen mit den Regionen verpflichtete er sich, all das auch einzulösen.

Keiner der beiden Kandidaten spricht das Thema Augusto Pinochet an. Der frühere Militärdiktator, der nach seinem Putsch 1973 gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende 3.000 Oppositionelle in Folterlagern ermorden ließ, wird während des gesamten Wahlkampfs ausgeblendet. Pinochet steht seit über einem Jahr in London unter Hausarrest, nachdem ein spanischer Richter ihn wegen Völkermords und Folter in Madrid vor Gericht stellen will. Das Auslieferungsverfahren läuft. Die Einzige, die den Namen Pinochet im Wahlkampf erwähnt, ist die Kandidatin der Kommunistischen Partei Chiles, Gladys Marin. Beiden Kandidaten wirft sie vor, das neoliberale Projekt weitertreiben zu wollen und in Menschenrechtsfragen weiterhin Straflosigkeit walten zu lassen. Daher kündigte sie bereits an, „im Falle einer Stichwahl keine Wahlempfehlung zu geben.“

Die große Koalition aus Sozialisten und Christdemokraten hat sich stets bemüht, den „englischen Patienten“ Pinochet heimzuholen, weil sie Chiles Souveränität in Gefahr sah. Lavin hat der Regierung unterstellt, sie täte zu wenig, um Pinochet vor einem Gerichtsverfahren in Spanien zu retten. Doch mit einem Mal verstummte Lavin. Denn solange Pinochet nicht in Chile ist, kann Lavin in Ruhe Politik machen und muss nicht zu seinem Übervater aufschauen.

Pinochet riecht nach Autoritarismus, und inzwischen haben die meisten mitbekommen, dass er angeklagt ist, ein Verbrecher zu sein. Doch das passt nicht in das Bild, das Lavin der Rechten geben will. Die jungen rechten Polit-Yuppies haben mit den alten Zöpfen nichts mehr zu schaffen, behaupten sie. Lavin verkauft sich wie ein Popstar und tanzt mit seiner Frau auf Wahlkampfkundgebungen. Pinochet würde da nur stören.

Ingo Malcher

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