piwik no script img

Auf Du und Du mit der BischöfinStartschwierigkeiten bei Christen-Männern

■ Wie sich eine Bischöfin, „die Hosen trägt“, in einer Männerwelt durchschlägt

Hannover. „Eine Bischöfin, die Hosen trägt – wie soll ich das meinen Landsleuten erklären?“, fragte der italienische Korres-pondent nach einem Besuch bei Margot Käßmann verzweifelt. Was sich hinter den Mauern der Bischofskanzlei der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers abspielt, ist fürwahr ungewöhnlich und ein Zeichen für den Wandel in der evangelischen Kirche: Seit 100 Tagen leitet die 41-jährige promovierte Theologin und Mutter von vier Töchtern die mit 3,2 Millionen Mitgliedern größte evangelische Landeskirche in der Bundesrepublik.

„Langsam fangen die Menschen an, sich an mich zu gewöhnen“, sagt die zierliche Bischöfin mit dem frechen Kurzhaarschnitt. Alle acht Sprengel ihrer Landeskirche hat sie bereits besucht und überall wurde sie freudig empfangen. „In Osnabrück bin ich mit einem Flugzeug über den Sprengel geflogen, in Ostfriesland mit einem Fischkutter übers Meer getuckert und in Lüneburg in einer Kutsche gefahren“, berichtet sie. „Die Erwartungen, dass sich mit meiner Wahl in der Kirche etwas ändert, sind fast zu hoch“, sagt die Theologin. „Als Person alleine kann ich das nicht. Aber viele Christen haben durch mich selbst wieder neuen Mut bekommen.“

Irritationen gibt es immer noch, wenn die quirlige Bischöfin auftritt – sei es auf Synoden oder nicht-kirchlichen Veranstaltungen. „Viele wissen nicht, wie sie mit einer Bischöfin umgehen sollen“, sagt Käßmann mit einem Schmunzeln. Vor allem die Anrede bereite vielen Probleme – nicht nur Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sie bei ihrer Amtseinführung am 4. September in der hannoverschen Marktkirche mit „Sehr geehrter Herr Bischof“ anredete. „Da heißt es dann: Liebe Brüder im bischöflichen Amt, bis dem Redner auffällt, dass er mich vergessen hat.“

Besondere Unsicherheit gibt es von Seiten der katholischen Kirche. Als der Bischof von Hildesheim, Josef Homeyer, seinen 70. Geburtstag feierte, musste die Bischöfin – entgegen ihrer Stellung – neben zwei Äbtissinnen in den Dom einziehen. „Vielleicht war es Höflichkeit, um mich nicht alleine als Frau laufen zu lassen“, meint Käßmann. Auch die katholischen Frauen erhofften sich von ihr neue Impulse für die Rolle der Frauen in der Kirche. „Jede Frau, die heute Theologie studiert, und ich hoffe auch jeder Mann, muss sich damit auseinander setzen, dass die Tradition der Kirche durch 2000 Jahre von Männern geprägt ist.“

Ob in Talkshows, auf der Straße oder in den Gemeinden: Die Bischöfin wird nicht müde, von ihren Vorstellungen von Kirche zu reden. Dabei will sie vor allem junge Menschen (zurück-) gewinnen: „Wir müssen lernen, so zu reden, dass die Menschen uns verstehen.“ Die Kirche habe so viel zu bieten, verstehe aber nicht, dies auch zu zeigen. „Kirche bedeutet auch Lebenslust und nicht ein Zusammentreffen von enttäuschten Menschen.“

„Nach einem Vortrag wollen alle immer wissen, wie ich das denn mit meinen Kindern regele und was mein Mann zu Hause macht.“ Denen könne sie nur versichern: „Alle sind gewaschen, ziehen sich an und gehen zur Schule.“ Wobei die älteren ihrer vier Töchter Sarah, Lea, Hanna und Esther sehr selbstständig seien. In der Tat müsse jedoch ihr Mann – Pfarrer Eckhard Käßmann – jetzt zu Hause bleiben und „den ganzen Laden schmeißen“. „Meine Wahl hat vielleicht auch deshalb für so viel Furore gesorgt, weil ich zu einer Frauengeneration gehöre, die Beruf und Familie unter einen Hut bringt.“

dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen