: Bezichtigung
Kaum ist der neue Senat von Berlin endlich gewählt, da serviert ihm Peter-Klaus Schuster, neuer Generaldirektor der 17 Staatlichen Museen, eine Vision. In das Vakuum, das die Teilung Berlins bis heute in der Mitte der Stadt hinterlassen hat, springt er mit der Idee einer Bildungslandschaft, die Museumsinsel, Humboldt-Universität und Staatsbibliothek vernetzt. Teil der Vorstellung ist ein neues Institut für Kunst- und Kulturgeschichte, das die Kompetenzen der Museen und Universitäten zusammenbringt.
Weniger Schusters bildungspolitische Vorstöße, die er letzte Woche in einem Interview der Zeit skizzierte, als vielmehr die zugleich erwogene Rückkehr der Gemäldegalerie auf die Museumsinsel lässt seitdem die Telefone der Generalverwaltung heiß laufen. Denn erst letztes Jahr hat die Gemäldegalerie am Kulturforum ein 260 Millionen teures Schatzhaus erhalten. Damit setzte Schusters Vorgänger Wolf-Dieter Dube einen Plan aus der Zeit um, als die Sammlungen im Westen von der Museumsinsel im Osten abgeschnitten waren. Die Kritik an dem Standort Kulturforum gipfelte in dem Vorwurf, damit das imaginäre Weltgebäude aller Epochen und Kunstgattungen, das die Einmaligkeit der Museumsinsel ausmachte, endgültig zerbrochen zu haben. Das will Schuster jetzt zurücknehmen.
Noch über 50 Jahre nach Kriegsende gibt die Museumsinsel das Schauspiel „Rom in Trümmern“. Nur zwei der fünf Häuser, das Pergamonmuseum und das Alte Museum, sind derzeit in Betrieb. Dennoch wurde das Ensemble gerade als Weltkulturerbe von der Unesco eingestuft. Die Sanierung der Insel hat höchste Priorität. Bis 2010 soll das Herzstück wieder strahlen, was rund zwei Milliarden kosten wird. Der Joker, den Schuster jetzt gezogen hat, ist das gegenüber liegende Gelände der Alexanderkaserne. Dorthin sollen die Museen während der Bauzeit ausweichen; dort wäre Platz für die Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts. Dann könnten die Bilder des Mittelalters und der Renaissance im Bode-Museum wieder den intimen Dialog mit den Skulpturen aufnehmen, der den Verfechtern des einstigen Gesamtkunstwerks so am Herzen liegt.
So perfekt dieser Traum von der Rekonstruktion der Aura der Kunsttempel scheint, so erschreckend ist das Loch, das sich damit am Kulturforum im Westteil der Stadt, im Dreieck von Nationalgalerie, Philharmonie und Staatsbibliothek West, auftut. Mit der Kunst des 20. Jahrhunderts, die noch um Mode und Architektur ergänzt werden kann, will Schuster ihm einen neuen Inhalt geben. Macht er damit aber nicht dem Konzept des Museums für Gegenwart im Hamburger Bahnhof Konkurrenz? Am Montag wird in Berlin der Rat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz tagen. Dann erst wird sich zeigen, wie weit der Generaldirektor sich vor seinem lauten Nachdenken politische Bündnispartner für seine Pläne gesucht hat
Katrin Bettina Müller
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