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Russen nehmen Grosny wieder unter Feuer

Nur wenige Zivilisten können fliehen. Amnestie für tschetschnische Kämpfer

Moskau (dpa/rtr/AP) – Tschetscheniens Hauptstadt Grosny ist erneut von russischen Truppen beschossen worden, obwohl den Zivilisten eine Chance zur Flucht in Aussicht gestellt worden war. Nach Berichten gelang es bis gestern Morgen nur wenigen der noch rund 40.000 Bewohner der fast völlig zerstörten Stadt, meist Frauen, Kinder, Alte und Kranke, durch die angebotenen Sicherheitskorridore zu fliehen.

Nach den Worten des russischen Tschetschenien-Beauftragten Nikolai Koschman werden russische Truppen Grosny innerhalb der kommenden zehn Tage einnehmen. Zuvor hatte Verteidigungsminister Igor Sergejew eine Erstürmung der Stadt ausgeschlossen und erklärt, er hoffe, dass die Bewohner die Rebellen zwingen könnten, Grosny zu verlassen.

Unterdessen zogen die russischen Streitkräfte ihren Belagerungsring um die letzten Hochburgen der Rebellen noch enger. Der russische Generalleutnant Gennadi Troschew forderte die Stadt Schali ultimativ zur Unterwerfung auf und drohte im Falle der Nichtbeachtung seiner Forderungen mit der Erstürmung. Schali ist neben Grosny die letzte größere Stadt Tschetscheniens, die sich noch in Rebellenhand befindet.

Das russische Parlament beschloss gestern mit 332 gegen 4 Stimmen eine Amnestie für militante Tschetschenen und russische Soldaten, die seit Beginn der Kämpfe im Kaukasus Verstöße gegen russisches Gesetz begangen haben. Die Amnestie gilt jedoch nicht für Morde, Entführungen und andere schwere Straftaten. Um für die Amnestie in Frage zu kommen, müssen die Kämpfer die Gefechte bis zum 1. Februar einstellen.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat angesichts der Angriffe auf die tschetschenische Zivilbevölkerung erstmals mit dem Ausschluss Russlands aus dem Staatenbund gedroht. Falls Moskau in Tschetschenien weiter die Menschenrechte verletze, müsse der Europarat die Zusammenarbeit mit Russland in Frage stellen, stellte das Präsidium gestern fest.

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