: Russen stoßen nach Grosny vor
■ Zusammenstöße mit Kämpfern in der tschetschenischen Haupstadt. Moskau sichert unbefristet Fluchtkorridore aus Grosny zu. Widerstandszentrum Schali eingenommen
Moskau (dpa/AP/AFP) – Russische Truppen sind gestern von Osten aus in die tschetschenische Hauptstadt Grosny eingedrungen. Es sei zu ersten Zusammenstößen zwischen russischen Voraustrupps und Rebellen gekommen, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Die russischen Truppen hätten bisher keinen Befehl erhalten, Grosny von den „Banditen zu befreien“, schrieb Interfax. Die Spähtrupps sollten nach vorliegenden Berichten zunächst nur feststellen, wo die Rebellen Verteidigungspositionen angelegt haben.
Unterdessen hat Russland den noch in Grosny lebenden Menschen versichert, die Stadt auch in den kommenden Tagen auf sicheren Fluchtwegen verlassen zu können. Es gebe keinen Zeitplan, nach dem die beiden Korridore zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden sollten, sagte gestern der Minister für Katastrophenschutz, Sergej Schoigu.
Die russischen Behörden schickten mehrere Busse und Lastwagen in die Nähe von Grosny, die die Flüchtlinge aus der umkämpften Region bringen sollten. Nach Angaben Schoigus warten die Busse täglich von 8 bis 16 Uhr an den Fluchtkorridoren. Er wolle in Verhandlungen erreichen, dass die Busse auch direkt nach Grosny fahren können. Auch gestern machten die Bewohner der Stadt kaum von den Korridoren Gebrauch. Bis zum Morgen hatten nur rund 100 Tschetschenen die Stadt verlassen.
Die russischen Truppen belagerten unterdessen Schali. Die 20 Kilometer südöstlich von Grosny gelegene Stadt ist einer der letzten größeren Orte Tschetscheniens, der sich noch in Rebellenhand befindet. In den Außenbezirken Grosnys kam es gestern zu Gefechten zwischen russischen Soldaten und Rebellen. Schwerpunkt der Auseinandersetzungen war das Gebiet um den Flughafen, dessen Einnahme das russische Militär am Montag gemeldet hatte. Kommandeure der tschetschenischen Kämpfer gaben gestern an, sie leisteten weiter Widerstand.
In der Nachbarrepublik Dagestan machte sich eine Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein Bild von der Situation im Kaukasus. Die zweitägige Kaukasusreise steht unter der Leitung des OSZE-Vorsitzenden Knut Vollebaek. Heute will Vollebaek mit Schoigu zusammenkommen.
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hat für die abtrünnige Kaukasusrepublik Tschetschenien einen bestimmten „Grad an Autonomie“ angeregt. In einem Interview mit der Tageszeitung Wedomosti sagte der Regierungschef, diese Unabhängigkeit müsse in Einklang mit der russischen Verfassung stehen.
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