Die Zeit der Ausreden ist vorbei

Auch in den USA ist der politische Druck enorm gewachsen. Selbst das Problem Rechtssicherheit für die Industrie hält man für lösbar ■ Aus Washington Peter Tautfest

Die Industrie ist bei den Entschädigungsverhandlungen unter Druck geraten. Das dokumentiert nicht zuletzt die Nachricht, dass auch nichtdeutsche Unternehmen wie Ford und General Motors/Opel, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben, sich mit einer Milliarde Mark am Entschädigungsfonds beteiligen wollen.

Paul Schinhofen von Ford sprach von 200 amerikanischen Firmen mit deutschen Werken, die derzeit über eine mögliche Beteiligung beraten. Auch von einem – allerdings höchstens symbolischen – Beitrag der amerikanischen Regierung ist die Rede.

Ein Scheitern der Verhandlungen hätte für deutsche Firmen, die in den USA Geschäfte machen wollen – und überhaupt für die deutsche Wirtschaft in Amerika – verheerende Auswirkungen. Nicht nur sähen sich einzelne Firmen mit Sammelklagen konfrontiert, bei denen Entschädigungssummen in Milliardenhöhe auf sie zukommen würden. In New York und Kalifornien wird bereits gegen deutsche Firmen geklagt. Darüber hinaus nähme der Ruf der deutschen Firmen Schaden.

Die amerikanische Seite, die eigentlich nur den ehrlichen Makler abgibt, hat gleichwohl ein Interesse an der Lösung des Problems, denn eine Verschlechterung von Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Deutschland schadet letztlich auch der amerikanischen Seite und führt zu weiteren Handelskonflikten in einer schon gespannten welthandelspolitischen Lage.

Auch der US-Unterhändler Stuart Eizenstat hat ein Interesse an einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Seine bisher erfolgreiche Verhandlungsführung beim Konflikt um die Ansprüche an Schweizer Banken sowie für die Rückgabe von Raubkunst prädestiniert ihn für Höheres in einer Regierung Al Gores. Vorausgesetzt, ihm gelingen auch diese Verhandlungen.

Zwar ist das allgemeine Interesse an den Auseinandersetzung um die Entschädigung von Zwangsarbeitern in der amerikanischen Öffentlichkeit gering, in bestimmten, für Wahlentscheidungen wichtigen Regionen aber – New York, Florida und Kalifornien – werden die Verhandlungen sehr genau verfolgt. Und so hat auch Al Gore ein Interesse an einer Lösung.

Auch das Problem der von den deutschen Firmen eingeforderten Rechtssicherheit – deutsche Firmen wollen vor weiteren Sammelklagen sicher sein – ist lösbar. Zwar kann kein Regierungsabkommen einem ehemaligen Zwangsarbeiter verwehren, ein US-Gericht anzurufen und eine in Amerika ansässige deutsche Firma zu verklagen. Gerichte entscheiden bekanntlich unabhängig. Bestandteil des Abkommens aber wäre ein Brief der amerikanischen Regierung, der die zwischen allen Parteien getroffene Abmachung und den eingerichteten Fonds als die Instanz bezeichnen wird, an die sich jeder, der Entschädigung sucht, wenden muss. Die US-Rechtskultur und -Gerichte kennen den außergerichtlichen Deal – viele Klagen werden überhaupt nur angestrengt, um die Parteien zur Verhandlung zu zwingen.

Bereits zwei Gerichte in New Jersey haben Sammelklagen abgewiesen, obwohl sie die Forderung der Opfer für gerechfertigt hielten. Ihre Entschädigung müsse im politischen und könne nicht im juristischen Rahmen geschehen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Zwar haben gegen dieses Urteil zwei Senatoren Gesetzesvorlagen eingebracht, die Klagen von ehemaligen Zwangsarbeitern zulassen. Diese Gesetzesinitiative wäre angesichts einer erfolgreichen Regelung aber hinfällig.