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Keine Extrawurst für Ost-Beihilfen

Die Volkswagen AG muss auf 241 Millionen Mark Subventionen für die Werke in Sachsen verzichten. Der Europäische Gerichtshof lehnt Klage ab ■  Von Christian Rath

Freiburg (taz) – VW und das Land Sachsen haben den Subventionsstreit mit der EU-Kommission vorerst verloren. Das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) in Luxemburg entschied gestern, dass die Kommission eine Beihilfe des Landes zu Recht um 241 Millionen Mark reduziert hat. VW und Sachsen können gegen dieses Urteil binnen zwei Monaten Rechtsmittel einlegen.

Anfang der 90er-Jahre entschied der Volkswagen-Konzern, in Ostdeutschland eine große Produktionsstätte für Golf- und Passat-Pkw einzurichten. Er übernahm Anlagen des Trabant-Herstellers Sachsenring im Dörfchen Mosel bei Zwickau sowie ein Motorenwerk bei Chemnitz. An beiden Standorten sollten zudem völlig neue Fabriken gebaut werden. Anreiz für diese Standortentscheidung waren nicht zuletzt Subventionen, die das Land Sachsen in Aussicht stellte. Ein Drittel der Investitionskosten wollte das Land übernehmen, um „Nachteile gegenüber anderen möglichen Standorten in Frankreich und der Slowakei auszugleichen“.

Doch die EU-Kommission in Brüssel, die staatliche Subventionen genehmigen muss, betrachtete die von Dresden versprochene Summe von rund 780 Millionen Mark als „unangemessen“ hoch. Sie ließ nur rund 540 Millionen Mark Beihilfe zu. Begründung: Bei den Werken Mosel II und Chemnitz II handle es sich um die Erweiterung bestehender Produktionsstätten und nicht, wie von VW behauptet, um eine – höher förderbare – Neuinvestition „auf der grünen Wiese“.

Sachsen legte gegen diese Entscheidung allerdings nicht nur Klage ein, sondern setzte sich einfach über sie hinweg. Immerhin 90 Millionen Mark mehr als genehmigt wurden an Volkswagen ausbezahlt. Die Landesregierung unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf begründete diesen populistischen Kraftakt mit einer „Notwehrsituation“ zur Verteidigung von Arbeitsplätzen.

Doch weit kam Sachsen damit nicht. In der Sache war man zwar auch in Bonn mit der Kommissionsentscheidung nicht einverstanden, aber sie einfach zu ignorieren, das ging nun doch zu weit. Schließlich sollen ja auch andere Mitgliedsstaaten nicht nach Gutdünken Subventionen verteilen können. Auf Bitte der Kommission fror die Bundesregierung deshalb kurzerhand eine andere Beihilfe ein, die VW für Modernisierungen im hessischen Werk Baunatal erhalten sollte. Ein Jahr später zeigte der Druck Erfolg. VW zahlte die in Sachsen zuviel erhaltenen 90 Millionen auf ein Treuhandkonto der Bundesregierung ein und erhielt dafür die Baunatal-Subvention in Höhe von 98 Millionen Mark.

Gestern gab es nun endlich ein Urteil. Das Europäische Gericht erster Instanz wies die von VW und Sachsen gemeinsam angestrengte Klage gegen die Kommission in vollem Umfang ab. VW muss also auf die noch ausstehenden 241 Millionen Mark aus Sachsen weiter verzichten. Das EuG entschied, dass die Kommission bei der Überprüfung staatlicher Beihilfen über ein „weites Ermessen“ verfüge und in diesem Fall auch „keinen offenkundigen Fehler“ begangen habe.

Abgelehnt wurde auch das von deutscher Seite vorgetragene Argument, für Beihilfen in Ostdeutschland müssten andere Regeln gelten als im Rest Europas. Ursache für diese Diskussion ist eine Passage des EG-Vertrags, wonach der Ausgleich „der durch die Teilung verursachten Nachteile“ generell zulässig sei. Bis zur Wiedervereinigung wurde mit dieser Bestimmung vor allem die Förderung so genannter Zonenrandgebiete gerechtfertigt. Welche Bedeutung dem Passus nach 1990 zukam, war bis jetzt umstritten.

Die Sonderregel im EG-Vertrag gelte nur für echte Teilungsfolgen, urteilte das Gericht. Und nicht für die Nachwirkungen des im Osten errichteten „politisch-wirtschaftlichen Systems“.

Gegen diese Entscheidung sind noch Rechtsmittel möglich. Sachsen, VW und die Bundesregierung wollen nun aber zuerst über das weitere Vorgehen beraten. Derweil prüft die Kommission bereits das nächste VW-Vorhaben in Sachsen. Für den Bau der „gläsernen Fabrik“ in Dresden sind Subventionen in Höhe von 194 Millionen Mark geflossen.

Kommentar Seite 12

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