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ERNEUERBARE ENERGIEN IM ÖFFENTLICHEN VERKEHRWarten auf den Ökobus

Umweltgerechte Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr sind nach wie vor eine Rarität. Technische Probleme, eine international schlecht abgestimmte Steuergesetzgebung und nationale Firmeninteressen verhindern vernünftige Lösungen.

Von PHILIPPE BOVET *

WENN ein kommunaler Fuhrpark eine umweltgerechte Lösung für die Modernisierung seiner Fahrzeuge sucht, wird er nur nur mit Mühe eine vernünftige Wahl zwischen Erdgas-, Flüssiggas-, Biodiesel-, Aquazole-, Elektro- oder Hybridantrieb treffen können.[1]Die Behörden geben kaum Leitlinien vor, um mit Blick auf Technik und Kosten einen Weg durch den Angebotsdschungel zu finden. Auch die staatlichen Pariser Verkehrsbetriebe RATP – lange wegen ihrer alten, umweltverschmutzenden Technologie verschrien – haben erst am 6. Dezember 1998 ihre Richtlinien für saubere Verkehrsmittel bekannt gegeben.

Bei einem Wagenpark, der 4 000 der insgesamt 12 000 französischen Linienbusse umfasst, waren die Entscheidungen der Pariser Verkehrsbetriebe schon immer richtungweisend. Die RATP, die sowohl von dem Fahrzeughersteller Renault Véhicules Industriels (Renault V.I.)[2]als auch von der Erdölgesellschaft Elf und den Energielieferanten Gaz de France und Electricité de France unter Druck gesetzt wurde, dürfte allerdings nicht allein nach technologischen Kriterien entschieden haben. Für die Jahre 1999 und 2000 werden die Pariser Verkehrsbetriebe 700 Busse mit Aquazole (einem Hybridprodukt aus Wasser und Diesel) betreiben, in 1 200 katalytische Partikelfilter investieren und 20 Elektro-, 112 Flüssiggas- und 106 Erdgasbusse anschaffen.[3]Mit diesem salomonischen Urteil wurde die gesamte französische Industrie zufrieden gestellt. Der deutsche Hersteller Mercedes hat sich an der europäischen Ausschreibung über die Lieferung von Gasautobussen gar nicht beteiligt. „Der deutsche Riese begründet seine Nichtteilnahme mit seiner Gewissheit, den Zuschlag nicht zu erhalten, da die Pariser Verkehrsbetriebe traditionsgemäß Renault V.I. den Vorzug geben.“[4]

Um die Auswirkungen eines Kraftstoffes auf die Umwelt vollständig zu erfassen, stützt man sich auf eine Ökobilanz, in der sämtliche bei der Gewinnung einer bestimmten Energie auftretenden Umweltfaktoren erfasst werden. Ein Beispiel: Obwohl die Schadstoffemissionen von Erdgas bei der Verbrennung minimal sind, sieht die Ökobilanz dieses Kraftstoffes weniger gut aus, sobald man die Umweltkosten der Baustellen, des Baus der Erdgasleitungen oder der Freisetzung von Methan bei der Gewinnung berücksichtigt. Im Geschäft mit der sauberen Energie geht es auch um fette Aufträge. Ein Erdgasbus kostet gegenüber einem Standardmodell von rund 350 000 Mark ein „Aufgeld“ von 75 000 Mark. Zur Betankung der Busse mit Erdgas ist eine Abfüllanlage nötig, die mit Spezialbehältern und einer Druckanlage ausgestattet sein muss und eine Investition in der Größenordnung von 875 000 Mark bedeutet. Garagen und Werkstätten müssen aus Sicherheitsgründen besonders ausgerüstet sein, was dazu führt, dass die Versicherungsprämien steigen.

Im Grunde braucht der Erdgasbetrieb umfassende technologische Entwicklungen, um die Fülldauer der Brennstofftanks (bis zu acht Stunden) und den überhöhten Verbrauch (zwei Mal mehr als andere Energien) zu verbessern. Noch sind Erdgasmotoren nichts anderes als umgerüstete Dieselmotoren, die also ursprünglich nicht für diese Energie entwickelt wurden. Ist es vernünftig, wenn eine Stadtverwaltung sich in einer Zeit rascher Fortschritte im Bereich der sauberen Technologien auf zehn oder fünfzehn Jahre festlegt?

In der lobenswerten Konkurrenz um die Erforschung möglichst umweltschonender Energien haben sowohl Biodiesel wie Flüssiggas gute Ökobilanzen vorzuweisen. Sie benötigen keine aufwendige Infrastruktur und können mit den bereits vorhandenen Einrichtungen betrieben werden. Flüssiggas, ein Propan-Butan-Gemisch, kann auf dreierlei Weise gewonnen werden: Erstens ist es Teil von Erdölvorkommen, die aus Bitumen, Diesel, klassischem Benzin und flüchtigen Gasen bestehen. Diese Nutzung von Flüssiggas aus Bohrrückständen wurde lange Zeit vernachlässigt. Zweitens fällt es als „natürlicher“ Rohstoff bei der Erdölraffination an, wird aber auch hier nicht genutzt. Drittens kann Flüssiggas eigens aus Erdöl raffiniert werden. In den beiden erstgenannten Fällen weist Flüssiggas eine gute Ökobilanz auf, weil es keinen zusätzlichen industriellen Prozess erfordert.

DENNOCH stehen Biodiesel und Flüssiggas bei den Entscheidungsträgern nicht hoch im Kurs.Weltweit werden schätzungsweise nur 60 Prozent des Flüssiggases genutzt, das durch die oben beschriebenen Verfahren anfällt.[5]Viele Entscheidungsträger in Umweltbelangen sind völlig unbedarft, und durch die Einflussnahme von Firmenallianzen werden andere Energieträger begünstigt. Thierry de Saulieu, Chefredakteur der Monatszeitung Les routiers, dazu im Juli 1998: „Wenn Flüssiggas von Renault V.I. verschmäht wird und der Konzern voll auf Erdgas setzt, so liegt das daran, dass seine Studien über saubere Kraftstoffe im Wesentlichen von Gaz de France finanziert wurden.“[6]In der Praxis erfordert ein mit Flüssiggas betriebener Bus gegenüber einem konventionellen Dieselfahrzeug Mehrausgaben von nur 30 000 Mark. Die Kosten für eine Umrüstung der Flüssiggasbehälter und -pumpen, die nach demselben Prinzip funktionieren wie Dieselanlagen, sind geringer als bei Erdgas.

Als in der europäischen Landwirtschaft Anfang der achtziger Jahre Ölüberschüsse produziert wurden, genehmigte die Europäische Gemeinschaft im Rahmen ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) den Anbau von Raps und Sonnenblumen auf brachliegenden Böden. In raffiniertem Zustand ergeben diese beiden Produkte Biodiesel, einen völlig schwefelfreien, erneuerbaren Biotreibstoff. Dazu meint Jean-Loup Gauducheau, Motorenspezialist des Umwelt- und Energiebüros Agence de l'environnement et de la maîtrise de l'énergie (Ademe): „Biodiesel weist eine gute Ökobilanz auf, der CO2-Ausstoß ist gering. Wenn man den Verbrauch umweltbelastender fossiler Brennstoffe verringern und erneuerbare Energieträger verwenden kann, ist das sicher nicht schlecht.“[7]

Biodiesel lässt sich mit der vorhandenen Technik verwenden, mit klassischem Diesel mischen und erlaubt jederzeit die Rückkehr zum ursprünglichen Treibstoff. Diese Unkompliziertheit in der Anwendung wird den Biotreibstoffen allgemein bescheinigt: „Die Biotreibstoffe zeichnen sich durch den immensen Vorzug aus, dass sie mit der bestehenden Fahrzeugflotte eingesetzt werden können und keine größeren Umstellungen bei der Treibstoffversorgung erfordern.“[8]

Fachleute für Biokraftstoff weisen stets darauf hin, dass sich die Nutzung landwirtschaftlicher Böden zur Energiegewinnung auf Europa und Nordamerika beschränkt, also auf Regionen mit hohen landwirtschaftlichen Überschüssen. Ist es vertretbar, fruchtbare Böden für die Energiegewinnung zu nutzen, während Teile der Welt unter Nahrungsmittelmangel leiden? Einer dieser Experten, der anonym bleiben will, fügt hinzu: „So einfach liegt die Sache nicht. Natürlich gibt es weltweit einen Nahrungsmittelüberschuss. Es sind jedoch wichtige geopolitische Interessen im Spiel, die weit darüber hinausgehen, Tonnen von Getreide in bedürftige Regionen zu liefern.“

In über dreißig französischen Ballungsräumen werden Busse mit einem Gemisch aus Biodiesel und Diesel betrieben. In Frankreich werden dem Diesel bis zu 30 Prozent Biodiesel beigemengt. Deutschland und Österreich gewähren steuerliche Vergünstigungen für die Verwendung von reinem Biodiesel.[9]Frankreich hat 1997 225 000 Tonnen dieses Biotreibstoffes hergestellt und könnte über wesentlich mehr verfügen. „Auch hier könnte der Gebrauch von reinem Biodiesel genehmigt werden“, meint Christophe Karlin, Sachverständiger der Vereinigung der Biodiesel-Städte. „Steuererleichterungen auf Erdölprodukte werden aber nur gewährt, wenn Biodiesel mit Diesel vermischt ist. In Deutschland hingegen führt jede Vermischung mit Diesel zum Verlust der Steuererleichterung.“ Diese Steuerpraxis spiegelt die unterschiedliche Haltung beider Länder wider. Aber dem Biodiesel stehen noch weitere Hindernisse im Weg: Während der deutsche Fahrzeughersteller Mercedes seit 1990 garantiert, dass seine Motoren mit Biodiesel laufen, hat Renault V.I. erst 1997 nachgezogen, und auch nur für eine 30-prozentige Beimischung. Und die französischen Bauern überlassen den Vertrieb von Biodiesel vollständig den Erdölgesellschaften.

Dieser ursprünglich aus der Landwirtschaft kommende Biotreibstoff wurde nur von einigen motivierten, auf dem Land gut verankerten Politikern verteidigt. Biodiesel galt als eine Sache, die vor allem für das Transportwesen und die damit verknüpften politischen Interessen eine Rolle spielte, im Umweltbereich wurde der Treibstoff nie ernst genommen. Anstatt das Produkt zu optimieren, spielen die Erdölgesellschaften seine Bedeutung herunter und begnügen sich damit, dem Dieselkraftstoff 2 oder 3 Prozent davon beizumengen, um kostengünstig den Schwefelanteil zu reduzieren.

Die vom Erdölkonzern Elf angewandte Methode, Diesel mit Wasser zu vermischen (Aquazole), beruht ebenfalls auf dem Prinzip eines mit der vorhandenen Technologie funktionierenden Treibstoffes. Dieser Kraftstoff lässt sich hingegen nur schwer mit klassischem Diesel vermischen. Überdies wäre Elf der einzige Produzent und Lieferant, was den freien Wettbewerb in Frage stellen würde. Die Gegner dieses Treibstoffes, dessen Umweltbelastung gegenwärtig von Ademe getestet wird[10], sprechen von technischer Spielerei, verweisen auf das geringe Interesse ausländischer Motorenentwickler an diesem Produkt und erinnern daran, dass man mit gering schwefelhaltigem Diesel selbst bei alten Motoren, wenn sie über eine wirksame Nachverbrennung verfügen[11], die Schadstoffemissionen bei Kohlenmonoxiden und Kohlenwasserstoffen um 60 Prozent, bei Partikeln um 30 Prozent verringern könne.[12]

Frankreich besitzt einen großen Dieselfahrzeugpark – 40,2 Prozent aller 1998 neu angeschafften Wagen haben Dieselantrieb, in der Bundesrepublik sind es 18 Prozent.[13]Die französischen Raffinerien erzeugen einen Überschuss an Benzin, während bei Diesel ein Engpass besteht. Um dieses unausgewogene, für ihre Ertragsbilanz ungünstige Verhältnis auszugleichen, decken sie sich mit Erdöl ein, wo immer sie können, selbst wenn es schwefelreiches Öl aus dem Nahen Osten ist. Sie sind einfach technisch nicht in der Lage, große Mengen an schwefelfreiem Diesel auf den Markt zu bringen. Jean-Loup Gauducheau bringt es auf den Punkt: „In den französischen Erdölraffinerien stehen größere Umstellungen an. Deshalb haben die Erdölgesellschaften versucht, die europäischen Diskussionen über eine Reduktion der Schwefelwerte im Diesel mit allen erdenklichen Mitteln zu behindern. Während ursprünglich für das Jahr 2005 30 ppm vorgeschlagen waren, ist man mittlerweile wieder bei 50 ppm angelangt.“[14]Alles in allem wird die Entgiftung weiter auf sich warten lassen, so lange keine Großaufträge in Aussicht stehen.

dt. Birgit Althaler

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