Vom Leckeren das Feinste

Ein dicker Kapaun, ein Dutzend Krebse, eine Hand voll Graupen, ein Tellerchen getrockneter Aprikosen, nebst Gewürz, Ei, Mehl und Sahne: Das wird ein feines Essen! Von der Speisekarte des Kochkollegs Luisenau haben wir vier Gänge gemopst. Profikoch Stephan Voshage hat uns Zubereitung und Tricks verraten. Alle Zutaten sind für vier Esser taxiert Von Manfred Kriener

Erster Gang: Krebse mit Äpfeln in Torten zu tun. Dafür brauchen wir: 12 Krebse, 2 Bioäpfel, 150 g Mehl, 75 g Butter, 1 kleines Vollei, 1 Eigelb, œ Becher Schmand, 2 cl Weinbrand, 1 Strauß Petersilie.

Es geht los. Der Ruhepuls sollte nicht über siebzig Schlägen liegen. Sie schaffen es! Aus Butter, Mehl, Vollei und Salz einen geschmeidigen Mürbeteig kneten und ihm eine halbe Stunde Ruhe gönnen. Derweil die aufgetauten Krebse in einem Salzkümmelsud samt dem Weinbrand eine Minute köcheln lassen.

Die Krebsschwänze aufbrechen. Aber Obacht: Panzer gefährden Ihre Gesundheit! Bitte nicht mit den scharfen Schalen in die Haut ritzen!

Jetzt nehmen wir den völlig relaxten Mürbeteig, wellen ihn aus und legen ihn gleichmäßig in eine Steingutkokotte (eine etwa zwanzig Zentimeter lange Auflaufform), lassen einen zwei Finger breiten Rand an den Seiten hoch lugen. Krebsschwänze auf dem Teig verteilen, Äpfel in schöne Spalten schneiden und zwischen die Krebse legen, das Ensemble salzen und mit Cayenne vorsichtig pfeffern. Schmand mit dem Eigelb verrühren, leicht salzen und diese Creme gleichmäßig über die Torte geben.

Die Komposition geht anschließend für zwanzig bis dreißig Minuten bei zweihundert Grad (Umluft: 180 Grad) in den Backofen, bis die Torte goldgelb schimmert. Dazu passt ein fränkischer Sylvaner.

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Zweiter Gang: Gerstensuppe mit Bündner Fleisch. Wir brauchen: 1 Bund Wurzelgemüse, 3 bis 4 Rinderknochen, 1 Zwiebel, eine gute Handvoll Graupen, œ Mohrrübe, œ Lauchstange, 2 Esslöffel fein geschnittene Selleriestreifen. 50 g Bündnerfleisch in feinsten Scheiben.

Aus einem Liter Wasser, Wurzelgemüse, Rinderknochen, zwei Pimentkörnern und einem Lorbeerblatt kochen wir in einer knappen Stunde unseren Suppenfond. Wer jetzt Brühwürfel nimmt, hat schon verloren!

Die Zwiebel nicht schälen, einfach in der Mitte durchschneiden und ohne Fett in der Pfanne auf den beiden Schnittstellen dunkel anbraten. Die Zwiebel aus der Pfanne heben und – zisch! – in den Suppenfond werfen. Das gibt Farbe und schöne, naturidentische Röstaromen.

Gemüse und Bündnerfleisch in millimeterdünne Streifen schneiden. Die Brühe durch ein feines Sieb passieren und wieder auf die Flamme setzen. Eine gute Hand voll Perlgraupen in die Suppe geben und einige Minuten köcheln lassen, bis sie weich sind, aber noch etwas Biss haben. Gemüse zugeben, und die Suppe nach dreißig Sekunden Kochzeit in die Teller schöpfen. Streifen des Bündnerfleischs darauf verteilen. Einen leichten Rotwein (zum Beispiel Dornfelder) entkorken und: hurtig servieren!

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Dritter Gang: Mit Morcheln gefüllter Kapaun auf Riojasoße. Wir brauchen 1 Kapaun (das ist der Hammel des Geflügelhofs, im Notfall durch eine Poularde zu ersetzen, die Hammelin), 1 Putenbrust, 200 g Schweinehack, 50 g getrocknete Morcheln, 100 g Sahne, 1/8 Liter Portwein, œ Flasche Rioja, 1 Bund Wurzelgemüse, 1 Essl. Tomatenmark, 1 Strauß Thymian, Butter.

Morcheln durch eine schnelle, kräftige Dusche vom Sand befreien, grob kleinschneiden und in den Portwein einlegen. Cool bleiben und keine Flachatmung zulassen. Sie müssen jetzt einen Kapaun auslösen. Wenn Sie das noch nie gemacht haben, bitten Sie vielleicht Ihren Metzger um Beistand oder fragen kulinarische Fachkräfte aus der Nachbarschaft. Aber: Es muss! Sie wollen doch einen anständigen Weihnachtsbraten haben? Der dicke Gockel wird von der Brust her aufgeschnitten und sorgsam von seinem Innenskelett befreit. Die Flügel und Keulen bleiben unversehrt.

Den knochenlosen Kapaun, der ohne sein Gerippe wie ein Lappen zusammenfällt, innen salzen und pfeffern und bis auf eine handbreitgroße Öffnung wieder zusammennähen. Die Putenbrust entweder durch den Wolf drehen – das erledigt auf Wunsch auch der nette Metzger – oder sehr fein hacken. Putenhack, Schweinehack und Morcheln mit einem Schuss Portwein (Obacht: Sand aus der Einweichphase zurücklassen!) und der Sahne vermanschen, alles kräftig salzen und pfeffern. Den Fleischmorchelbrei in den Kapaun stopfen, der plötzlich – kikerikii! – wieder seine vertraute Hühnergestalt annimmt. Das Füllloch zunähen, den Kapaun von außen salzen, aber nicht pfeffern (wegen der schwarzen Pickel).

Das Tierchen auf den Bräter legen und sorgsam mit 3/8 Liter kochend heißem Wasser übergießen. Kapaun mit Bräter und Wasserpfütze zu Ehren Sepp Herbergers für neunzig Minuten! in die 150 Grad heiße Backröhre setzen. Zwischendurch fleißig begießen. Danach fünfzehn bis zwanzig Minuten auf zweihundert Grad schalten und den Braten knusprig bräunen. Wer keinen dicken Kapaun hat, sondern ein Mickerhähnchen, hat natürlich viel kürzere Garzeiten.

Für die Soße werden die Kapaunkarkassen kleingehackt und mit dem Wurzelgemüse angeröstet. Das Tomatenmark zugeben und weiterrösten. Mit dem Rioja und der gleichen Menge Wasser ablöschen. Piment, Lorbeerblatt, 3 Pfefferkörner und Thymian zugeben und diesen Fond eine Stunde köcheln, bis die Soße stark reduziert ist. Durch ein Sieb passieren, salzen, mit Pfeffer und Thymian abschmecken, zum guten Schluss mit eiskalten Butterstückchen sämig rühren.

Dazu passt ein Risotto und natürlich ein großer Rioja, am besten aus dem 94er oder 95er Jahrgang.

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Das Dessert: Bettina von Arnims Aprikosensoufflée mit Arraksoße. Wir brauchen: 200 g getrocknete Aprikosen, 1/4 Liter Weißwein, 6 Eigelbe, 4 Eiweiße, 150 g Mehl, 140 g Zucker, 2 cl Marillenbrand, 1 Orange.

Die getrockneten Aprikosen mit einer Prise Zimt bestreuen und über Nacht in Weißwein einweichen. Die gut durchweichten Früchtchen in feine Streifen schneiden. Vier Eigelbe mit 125 g Zucker schaumig schlagen, 150 g Mehl einsieben, gut verrühren. Die vier Eiweiße mit einer Prise Salz aufschlagen und unterheben, Marillenbrand und Aprikosenstreifen dazugeben. Diese Mischpoke in feuerfeste, gebutterte und mit Semmelbrösel bestreute (sonst klebt’s hinterher fest) Förmchen füllen und im Backofen bei zweihundert Grad etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten (je nach Formgröße) ausbacken.

Schwören Sie beim heiligen Souffléegott, dass Sie die Backofentüre allzeit fest geschlossen halten, weil sonst alles tschernobylartig zusammenbricht. Das kann niemand wollen.

Während das Soufflée ausbäckt, zwei Eigelbe mit drei halben Eierschalen voll Weißwein cremig rühren, eine halbe Eierschale Zucker dazu geben und über dem heißen Wasserbad locker aufschlagen. Kurz vor der Vollendung einen kräftigen Schuss Arac (Weinbrand) hineingießen. Soßenspiegel auf den Dessertteller träufeln, mit enthäuteten Orangenfilets garnieren.

Große Künstler träufeln noch etwas roten Beerensirup dazu und ziehen mit einem Hölzchen kunstvolle Pirouetten. Ob mit oder ohne roten Beerensaft: Auf jeden Fall das Soufflée erst unmittelbar vor dem Servieren direkt aus dem Ofen holen und sofort auf die fertigen Teller stürzen, damit es in Bestform auf den Tisch kommt.

Dazu trinken Sie bitte eine gut gealterte, süße Rieslingauslese.

Anschließend: Zigarren, Kaffee, eine gepflegte Partie im Billardsalon, ausgedehnte Spaziergänge.

Herzlichen Dank an Stephan Voshage für die professionelle Hilfe. Der Küchenchef des Kochkollegs Luisenau studiert an der Freien Universität Berlin Betriebswirtschaftslehre. Er hat unter anderem bei Harald Wohlfahrt in Baiersbronn gelernt, der nach offizieller Mützen- und Sternchenzählerei einschlägiger Guides als bester Koch Deutschlands gilt. In Wohlfahrts „Schwarzwaldstube“, verrät Voshage, „wird mit chemischer Präzision gearbeitet“.