: Der Bibeltreue schickt die CDU zum Teufel
Abgetaucht, aufgetaucht, ausgetreten. Ekkehard Wruck hat die CDU verlassen. Doch die hatte sich längst vom Politclown aus Wilmersdorf verabschiedet. Ein Nachruf auf den Kunzelmann der CDU
Die Berliner CDU hat ihren Dieter Kunzelmann verloren. Selbst seinen Parteiaustritt nutzte der Abgeordnete Ekkehard Wruck, um noch einmal alle Register seiner politischen Unterhaltungskunst zu ziehen. Schon immer wusste sich der Wilmersdorfer Anwalt in den Mittelpunkt zu spielen – ob er im Parlament demonstrativ das Rauchverbot missachtete oder einst die grüne Abgeordnete Hilde Schramm, Tochter des Hitler-Architekten Albert Speer, als „Brut von Naziverbrechern“ beschimpfte.
Die Partei wird auf derlei Sprüche nun verzichten müssen. Heute wählt der Wilmersdorfer Kreisverband einen Nachfolger für ihren Vorsitzenden. Ob sich dagegen die Abgeordneten im preußischen Landtag weiter an ihrem Kollegen erfreuen dürfen, ist dagegen noch unklar.
Dem Wilmersdorfer Anwalt wäre die Rolle eines fraktionslosen Polit-Clowns nach dem Vorbild Ida Schillens jedenfalls zuzutrauen. Die Ex-Grüne hatte ihr Recht, als Fraktionslose zu jedem beliebigen Thema Reden zu schwingen, in der vergangenen Wahlperiode weidlich ausgenutzt – und von Sitzung zu Sitzung radikalere Phrasen gedroschen.
Begründet hat Wruck, der auch mit der Presse nur in Rätseln spricht, seinen Austritt aus der CDU bislang nicht. Stattdessen zitierte der bekennende Christ die Bibel: „Wir sind auch nicht aus Stein oder aus dem Marpesischen Felsen geboren. Aber, wenn es nun einmal nicht anders sein kann, ziehen wir es vor, im Unfrieden dieser Zeit zerstoßen zu werden, fröhlich in der Gnade Gottes.“ Als der Brief in der Landesgeschäftsstelle der Berliner CDU einging, weilte der Autor sinnigerweise in der Wittenberger Lutherhalle.
Besorgte Parteifreunde meldeten Wruck bei der Polizei unterdessen als vermisst, die Staatsmacht drang in die leere Wohnung des als labil und einsam geltenden Preußenfreundes ein. Tags darauf soll sich der nach außen stets korrekt auftretende Anwalt auf dem zuständigen Polizeiabschnitt gemeldet haben.
Die Partei, die Wruck unter solch schillernden Umständen verließ, war längst nicht mehr die seine. Seit 1979 sitzt er für die CDU im Parlament, wo er in den Achtzigerjahren eher dem liberalen Flügel der Fraktion zugeordnet wurde. Erst zur Zeit von Wiedervereinigung und rot-grüner Koalition sorgte er als ausländerpolitischer Sprecher seiner Fraktion für Eklats im Parlament. Sein Verhältnis zu Parteichef Eberhard Diepgen und Fraktionschef Klaus Landowsky ist endgültig zerrüttet, seit die beiden 1992 seine Abwahl von der Sprecherfunktion betrieben.
Manch ein Beobachter sah Wruck schon als den letzten unabhängigen Kopf in einer Berliner CDU, die unter Landowskys Führung zu einem Diepgen-Wahlverein degeneriert sei. Doch selbst mit viel gutem Willen lässt sich in Wrucks Polit-Aktionismus kaum eine konsistente politische Linie ausmachen.
Eher schon scheint seine Spielernatur den Wilmersdorfer Anwalt anzutreiben, der mit sorgfältig gelegtem Haar, modischen Anzügen und den Umgangsformen eines altmodischen Kavaliers noch immer dem Jugendideal der Fünfziger huldigt.
Immer tiefer verstrickte er sich in seine Privatfehde gegen den Intimfeind Landowsky, dessen Nachwuchshoffnungen Peter Kurth und Monika Grütters just in Wrucks Wilmersdorfer Kreisverband beheimatet sind.
Mit allen denkbaren Tricks suchte er den heutigen Finanzsenator und die Wissenschaftspolitikerin auszubooten. Vor den entscheidenden Abstimmungen wirkte er wie ein Süchtiger: Mit zitternder Hand rauchte er eine Zigarette nach der anderen, zwinkerte er seinen Getreuen wissend zu.
Im Wahlkampf noch wollte er sich seine Niederlage nicht eingestehen. Gegen den zentral organisierten Wahlkampf seiner Partei rannte er mit Plakaten an, auf die er schon damals einen Bibelspruch drucken ließ: „Die Wurzel trägt dich.“ Die CDU ließ den Slogan ihres eigenen Direktkandidaten, der in seinem Wahlkreis immerhin 52,7 Prozent der Stimmen erhielt, kurzerhand überkleben.
In der Partei war Wruck, vom engsten Kreis der Wilmersdorfer Mitstreiter abgesehen, ein Einzelkämpfer. Den Kampf gegen die Spitzen von Partei und Fraktion, den er mit hohem Einsatz führte, konnte er nicht gewinnen. Jetzt hat er offenbar die Konsequenz gezogen. Ralph Bollmann
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