: Krieg lohnt sich in der russischen Demokratie
Bei den Parlamentswahlen liegen die Pro-Jelzin-Partei „Einheit“ und die Kommunisten vorn. Jelzins Gegner holen sich eine deutliche Schlappe, liberaler Jabloko-Block kommt auf etwa acht Prozent
Berlin (taz/AFP) – Die eigens für die Parlamentswahl vom Kreml gegründete Partei Einheit hat gestern einen deutlichen Sieg erreicht. Nach ersten Prognosen kurz nach Schließung derWahllokale erhielt die Präsident Jelzin und Ministerpräsident Putin nahe Partei etwa 24 Prozent der Stimmen. Damit hat die Kriegspropaganda der Kreml-Fürsten bei den russischen Wählern den erwünschten Erfolg erbracht. Einheit konnte sogar noch deutlich mehr Stimmen erzielen als erwartet. Sie wird vom Katastrophenminister Sergej Schoigu angeführt, der erst vor wenigen Tagen medienwirksam vor Grosny aufgetreten war.
Mit 28 Prozent der Stimmen lagen allerdings die Kommunisten auf Platz eins. Angesichts des ständig sinkenden Lebensstandarts der Durchschnittsbevölkerung war der Erfolg der Kommunisten unter Genadi Sjuganow erwartet worden. Die Jelzin-Gegner kamen zusammen aus 22 Prozent: Jeweils elf Prozent erzielten Ex-Premier Jewgennij Primakow und Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow, die sich in der Liste Vaterland – Ganz Russland zusammen geschlossen hatten. Die gleiche Stimmenzahl erzielte die mit Luschkow verbündete Demokratische Union der Rechten Kräfte (SPS) unter dem früheren Premierminister Sergej Kirijenko. Die liberale Jabloko-Partei kam auf etwa acht Prozent. Ob Schirinowskis Rechtsradikalen der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelungen ist, blieb zunächst ungewiss.Alle großen Parteien hatten sich für den Tschetschenien-Krieg ausgesprochen.
Bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau siegte erwartungsgemäß mit großem Abstand Amtsinhaber Luschkow vor Ex-Regierungschef Sergej Kirijenko.
Die dritte russische Parlamentswahl ging ohne größere Zwischenfälle zu Ende. Schon um 14.00 Uhr MEZ hatten mehr als ein Viertel der Wähler in 62 der 88 Regionen der Russischen Föderation ihre Stimme abgegeben. Damit wurde die Mindestanforderung von 25 Prozent des Wahlgesetzes erfüllt.
Die neue Duma wird das Land in die Ära nach Präsident Boris Jelzin begleiten, der sich nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit im kommenden Juni nach eigenen Angaben aus der Politik zurückziehen wird. Der Wahlkampf stand im Zeichen der vom Kreml kontrollierten Medien und dem Tschetschenienkrieg.
Zur Duma-Wahl traten 26 Parteien an. Die Hälfte der 450 Dumasitze wird in der Listenwahl vergeben, die andere über Direktmandate, um die sich 2.318 Kandidaten bewerben.
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