: Kein Arbeitsplatzwunder
Weil der Nachwuchs fehlt, droht dem Gründungsboom in der Biotechnik das Aus
Berlin (taz) – Auch wenn sich die Einschätzung hartnäckig hält, ist die Biotechnologie keine Wunder-Wachstumsbranche. Sie sorgt nicht automatisch für jede Menge neue Arbeitsplätze, wenn nur die gesetzlichen Hürden niedriger gehängt und Geld genug bereit gestellt wird. Zu diesem Schluss kommt eine Studie aus dem Institut für Angewandte Innovationsforschung an der Universität Bochum.
Der bisherige Gründerboom bei den Biotechnologieunternehmen – der die Voraussetzung für die neuen Stellen darstellt – ist laut den Autoren nur durch „Überhänge auf dem Arbeitsmarkt“ entstanden: Weil es vor allem im Chemiebereich jahrelang viel mehr Absolventen als Einsteigemöglichkeiten in der Industrie gab, seien viele in die Selbständigkeit ausgewichen.
Inzwischen aber hätten sich die Voraussetzungen geändert, auch wenn in Deutschland immer noch rund 80.000 Naturwissenschaftler und Ingenieure arbeitslos gemeldet sind. Viele von diesen sind laut Studie „zwar hoch qualifiziert, für die Biobranche aber inkompetent“. Den allermeisten fehlt die Praxiserfahrung in kleinen oder mittleren Unternehmen.
Zugleich sinkt die Zahl der Chemie- und Physikstudierenden. Zwischen 1992 und 1998 ist die Zahl bestandener Vordiplome um mehr als 70 Prozent gefallen. Das kann auch nicht durch Zuwächse bei Biochemikern und Pharmazeuten aufgefangen werden.
Damit, so das Fazit der Studie, ist das „naturwissenschaftlich-technische Personal“, das notwendig ist, um die gegenwärtigen Zuwachsraten bei den kleinen und mittleren Biotechnologieunternehmen auch nur zu halten, bereits mittelfristig „nicht verfügbar“.
Schon früher haben Wirtschaftsforscher davor gewarnt, die Nettoauswirkungen der so genannten Zukunftsbranchen auf den Arbeitsmarkt zu überschätzen. Schließlich seien die meisten „neuen“ Firmen entweder direkte Ausgründungen aus den Forschungsabteilungen der großen Konzerne, oder sie übernehmen zumindest deren Aufgaben. Da sie zugleich oft effizienter arbeiten, ersetzen sie nicht nur alte Arbeitsplätze, sondern machen sie teilweise sogar überflüssig. bw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen