: Jetzt muss Jelzin nur noch gehen
■ Der Weg des russischen Ministerpräsidenten Putin in den Kreml ist nun frei: Er ist der eigentliche Sieger der Parlamentswahlen. Seine Männer holen über 20 Prozent. Rechtsaußen Schirinowski bleibt in der Duma
Moskau (rtr/dpa/taz) – Russlands Premierminister Wladimir Putin ist seinem Ziel, den siechen Staatschef Boris Jelzin im kommenden Jahr zu beerben, einen großen Schritt näher gekommen: Bei den Parlamentswahlen vom Sonntag erreichte der vom ihm favorisierte Parteienblock „Einheit“ von Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu auf Anhieb knapp 24 Prozent der Stimmen. Nur die Kommunistische Partei war noch etwas besser: Erwartungsgemäß erzielte sie mit gut 24 Prozent die meisten Stimmen und verbesserte ihr Ergebnis von 1995 um etwa zwei Prozent.
Hinter den Erwartungen zurück blieb die Liste „Vaterland – Ganz Russland“, die Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow und der frühere Ministerpräsident Jewgeni Primakow anführten. Sie erreichte zirka 12 Prozent der Wählerstimmen. Die reformorientierte „Union der rechten Kräfte“ unter Führung des im vergangenen Frühjahr abgehalfterten ehemaligen Premierministers Sergej Kirienko kam auf fast 9 Prozent.
Darüber hinaus übersprangen noch zwei Parteien die Fünfprozenthürde: Der Wählerblock des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski und der Jabloko-Block des Reformers Grigori Jawlinski kamen auf je 6 Prozent.
Bei den Direktmandaten lagen die Kommunisten mit 43 Sitzen vorn, vor der Gruppe „Vaterland“ mit 29 Mandaten. Auf den Block „Einheit“ entfielen 10 auf die „Union der rechten Kräfte“ und die Gruppe „Jabloko“ je fünf Mandate. Nach den vorläufigen Ergebnissen schafften 107 unabhängige Kandidaten den Einzug ins neue Abgeordnetenhaus.
Das Wahlergebnis bringt Putin aber nicht nur der Präsidentschaft näher. Auch bekräftigt es die Zustimmung der Mehrheit der russischen Bevölkerung zum Krieg in Tschetschenien. Dort gingen gestern die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter. Grosny lag weiter unter Dauerbeschuss. Gewählt wurde in der Kaukasusrepublik, die de jure noch zur russischen Föderation gehört, nicht.
In einer ersten Reaktion auf den Ausgang der Wahlen erklärte Präsidentensprecher Dmitri Jakuschkin, dass Boris Jelzin das Ergebnis als Entscheidung des Volkes betrachte. Er rufe daher auf, das Resultat zu respektieren. Der Staatschef erwarte von der neuen Duma eine „sachliche gesetzgeberische Tätigkeit“.
Putin begrüßte vor allem den Erfolg der „Union der rechten Kräfte“ als „wichtigen Sieg für alle“. Ohne diesen Erfolg hätte es eine „schwer zu bewältigende Kettenreaktion“ gegeben.
Der stellvertretende Leiter der Kreml-Verwaltung, Igor Schabdurassulow, sah den Wahlausgang dagegen als „friedliche Revolution“. Diese habe Russland zehn Jahre nach der Staatsgründung in der Duma neue „qualitative Parameter“ gebracht. Ex-Ministerpräsident Sergej Kirienko, Chef der „Union der rechten Kräfte“, schlug gestern eine Dreiparteienkoalition aus „Einheit“, „Union“ und „Jabloko“ vor. Dies sei die „einmalige Gelegenheit, eine konstruktive Mehrheit in der Duma zu schaffen“, sagte er.
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