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Tief schürfend banal

Oliver Parkers amüsante Oscar-Wilde-Verfilmung „Ein perfekter Ehemann“ ist ein Lob des Unvollkommenen ■ Von Philipp Bühler

Bosie war in Urlaub, Jungs vernaschen im Schatten der Pyramiden, und so fand Oscar Wilde endlich wieder Zeit, ein paar klare Gedanken zu Papier zu bringen. Kleiner Racker! Wie immer war das Stück in ein paar Wochen geschrieben, es war brillant und witzig, voller Wortspielchen, Paradoxa und Aphorismen, nebenbei jeder Satz ein unmerklicher Stich ins heuchelnde Viktorianerseelchen: Das Publikum würde sich demnach amüsieren, kräftig klatschen und doch nicht zu viel darüber nachdenken. Noch kein Gedanke an das Scherbengericht, das ihn nur wenige Monate nach der umjubelten Uraufführung ereilen sollte aus Gründen, die nun wieder mit Bosie zu tun hatten. Als der nämlich wiederkam, begann das wahre Drama, und Oscarchen wanderte ins Gefängnis.

Es läge nahe zu sagen, böse Vorahnungen hätten die Niederschrift von „An Ideal Husband“ begleitet, in dem es um Moral und Heuchelei, Intrigen, Politik und die Natur des Skandals geht. Doch erstens hätte sich Wilde jede Imitation des Lebens in der Kunst verbeten, schon aus ästhetischen Gründen, zweitens glich er doch zu sehr seinem Helden Lord Goring, der nur jeden ersten Dienstag im Monat, zwischen vier und sieben, über ernsthafte Dinge zu reden bereit ist. Drittens verfasste er noch kurz vor Beginn des Prozesses gegen ihn „The Importance of Being Earnest“, jenes Feuerwerk der nutzlosen Konversation, bar jeglicher sozialer Zusammenhänge, das uns bis heute als Oscar Wilde in Reinkultur gilt. Die Impotenz des Ernstseins in einer repressiven Gesellschaft war niemandem bewusster als ihm.

Auch „An Ideal Husband“, gemeinhin als „Ein idealer Gatte“ übersetzt, ist zuallererst eine grandios stilisierte Ansammlung eitler Geschwätzigkeit, tief schürfender Banalitäten und treffsicherer Ad-hoc-Analysen viktorianischer Befindlichkeit. Diskussionen um den korrekten Gebrauch der Knopflochblume – „trivial“ muss sie sein – dauern Ewigkeiten. Doch weil Wilde es auch ein wenig leid war, als der ewig gewissenlose Ästhetizist abgestempelt zu sein, sollte diesmal auch die Moral nicht zu kurz kommen. Beziehungsweise das, was man in solch geschmacklosen Zeiten davon übrig gelassen hatte!

Im Mittelpunkt steht der von seiner hochmoralischen Ehefrau als „idealer Gatte“ verehrte Sir Robert Chiltern, ein Jungpolititiker, der Amt und Würden der, wie man heute sagen würde, kriminellen Weitergabe von Insiderwissen verdankt. Es droht die sofortige Trennung von Frau und Mandat, folgt er nicht dem Wunsch einer durchtriebenen Erpresserin, das zu tun, was er schon einmal getan hat: einem windigen Kanalprojekt zuzustimmen, mit dem sich die schönsten Spekulationen treiben lassen. Hat der arme Kerl das verdient? Neuerliche Schuld auf sich zu laden? Den Hass einer bigotten Skandalpresse auf sich zu ziehen? Natürlich nicht. Hat er doch lediglich, wie er seinem alten Freund Lord Goring gegenüber bekennt, „das Jahrhundert mit seinen eigenen Waffen geschlagen“. Welches Jahrhundert auch immer er damit meint, Wilde wird einen Teufel tun, den Sünder zu kreuzigen, er wird ihn retten. „Nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen bedürfen der Liebe“, lautet die Heilsbotschaft, die natürlich, angesichts der massiven Verfehlung eines jungen Wilden im Westerwelle-Format, nur mit viel Ironie zu haben ist. Und damit geht Wilde gewohnt verschwenderisch um.

Wer das nicht tut, riskiert, Wildes Prätentionen auf den Leim zu gehen und die Hülle mit dem „Inhalt“ zu verwechseln. Für seine „offene“, realistische Inszenierung hat Oliver Parker auf einige der überflüssigsten, das heißt die brillantesten Dialoge verzichtet und dem Stück damit einen kaum zu verkraftenden Aderlass verpasst. Dafür wird viel Kutsche gefahren, ernst geguckt und Boten mit kompromittierenden Briefen unterm Arm kreuz und quer durch London gehetzt, um den im Grunde haarsträubenden Plot zu einem guten Ende zu bringen. Die für Wilde unabdingbare Theatralik bleibt dabei auf der Strecke.

Dass „Ein perfekter Ehemann“ dennoch Vergnügen bereitet, ist denn auch nicht Parkers Drehbuch zu verdanken, das nur dann glänzt, wenn er sich an den Text hält, sondern einem perfekten Darstellerensemble. Die stark amputierte Rolle des Dandy Lord Goring, diese typisch Wildesche Paarung formaler Überlegenheit mit substanzieller Ohnmacht, steht Rupert Everett immer noch hervorragend. Was erwartet man auch anderes von einem Mann, der in seiner Freizeit Bücher schreibt mit Titeln wie „The Hairdresser of St. Tropez“? Julianne Moore gibt als Mrs. Cheveley eine Femme fatale, die sich gewaschen hat. Cate Blanchett muss man schon deswegen loben, weil sie mit der Rolle der Lady Chiltern den unsympathischen Part übernommen hat, den schon zu Wildes Lebzeiten niemand haben wollte. Und mit der Aufwertung ihrer Schwester Mabel (Minnie Driver) zum weiblichen Dandy à l'américain hat Parker Wildes klassisches Typenspektrum sogar charmant erweitert. Nur den Wilde-Puristen wird er nicht zufrieden stellen. Der wird diese bei allem neckischen Charme doch zu unentschlossene Inszenierung auf des Meisters Szenenanweisung für die äußere Erscheinung Mrs. Cheveleys verweisen: „ Ein Kunstwerk im Ganzen, zeigt jedoch den Einfluss zu vieler Schulen.“„Ein perfekter Ehemann“. Regie: Oliver Parker. Mit Rupert Everett, Cate Blanchett, Minnie Driver u. a. Großbritannien 1999, 94 Min.

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