: Richterliches Jawort zur Homo-Ehe
Erstmals erkennt ein Oberster Gerichtshof in den USA Lesben und Schwule als gleichberechtigt an. Homo-Lobby jubelt. Konservative sind außer sich ■ Von Stefan Schaaf
Fünf Richter in dem kleinen US-Bundesstaat Vermont machen Furore: Sie urteilten am Montag, es dürfe keinen rechtlichen Unterschied geben zwischen hetero- und homosexuellen Partnerschaften. In dieser Eindeutigkeit hat das vorher noch nie ein Gericht in den USA verkündet.
Der Spruch des Obersten Gerichtshofs von Vermont ist endgültig und ein großer Erfolg für die Schwulen- und Lesbenbewegung in den USA. „Millennium gut und schön, aber für Schwule und Lesben in den USA hat die neue Ära heute schon begonnen“, jubelt Matthew Coles von der Bürgerrechtsvereinigung ACLU. Homo-Paare gleichzustellen sei, so Vermonts Oberster Richter Jeffrey L. Amestoy, „schlicht die Anerkennung unserer gemeinsamen Menschlichkeit“.
Ein Satz, dessen Wucht eine lesbische Lobbyistin erschauern lässt: „Dies zu lesen verschafft mir eine Gänsehaut“, sagt Beatrice Dohrn vom Lambda Legal Defense Fund, einem Rechtshilfefonds für die Homosexuellenbewegung. „Noch nie sind wir auf diese Weise offiziell anerkannt worden.“
Vermonts Oberster Gerichtshof hatte über die drei Jahre zurückliegende Klage zweier lesbischer und eines schwulen Paares zu entscheiden. Sie hatten damals in einer Kleinstadt in Vermont ein Aufgebot bestellt, das ihnen verweigert wurde. Eine Klage beim Amtsgericht wurde abgewiesen, da der Staat nur solche Eheschließungen fördern könne, die „der Verbindung von Zeugungsakt und Kinderaufzucht förderlich“ seien.Vermonts Oberstes Gericht hielt dies für überholt. Viele heterosexuelle Paare hätten keine Absicht, Kinder zu bekommen, dennoch unterstütze der Staat ihre Ehen. Gleichzeitig sei es für Homo-Paare durch moderne Reproduktionstechniken möglich geworden, Kinder zu bekommen.
Die Verfassung von Vermont sieht vor, dass der Staat den Zweck hat, allen Bürgern und Bürgerinnen gleichen Schutz, gleiche Sicherheit und Unterstützung zu gewähren. Kein Einzelner und keine Gruppe dürfe bevorzugt werden. Dieser Grundsatz wurde in den Augen der fünf Richter des Obersten Gerichtsthofes verletzt. Die drei klagenden Paare verwiesen auf 300 Gesetze Vermonts und mehr als 1.000 Bundesgesetze, die sie benachteiligen. Zum Beispiel: Sie dürfen keine medizinischen Entscheidungen im Namen ihres Partners oder ihrer Partnerin treffen, sie sind, wenn kein Testament vorliegt, nicht erbberechtigt, und sie dürfen keine gemeinsame Steuererklärung abgeben.
Der Spruch des Vermonter Gerichts ändert diese Gesetze nicht mit einem Schlag. Er fordert vielmehr die Gesetzgeber, das Parlament in Montpelier, auf, möglichst rasch neue Regelungen zu beschließen. Dabei haben die Vermonter Abgeordneten zwei Optionen. Sie könnten – erstmals in den gesamten USA – Eheschließungen von Schwulen und Lesben zulassen. Oder sie verabschieden ein Gesetz, das Homo-Partnerschaften rechtlich mit heterosexuellen Partnerschaften (domestic partnerships) und Ehen gleichstellt.
Die Konsequenzen wären höchst unterschiedlich, meint Matthew Coles: Die Zulassung der Homo-Ehe würde heiratswillige Schwule und Lesben veranlassen, in Vermont die Ehe zu schließen und dann zu versuchen, diese in ihren Heimatstaaten anerkannt zu bekommen. Bei voller Anerkennung als „domestic partnership“ würde in den übrigen Bundesstaaten der politische Kampf um Verabschiedung ähnlicher Regelungen beginnen. Einmal wäre es ein zersplitterter Kampf der Paare vor den Gerichten, im zweiten Fall eine breite Kampagne.
Längst wird in den Parlamenten der Vereinigten Staaten an vielen Fronten erbittert um die Gleichstellung von Schwulen und Lesben gestritten. Konservative Republikaner und christliche Fundamentalisten stemmen sich gegen eine Neubewertung der traditionellen Ehe. In 28 US-Bundesstaaten wurden Gesetze erlassen, die die Homo-Ehe explizit verbieten – obwohl es sie noch gar nicht gibt. In Hawaii kippten die Wähler in einer Volksabstimmung die bislang schwulenfreundlichste Rechtsprechung in den USA.
Gary Bauer, einst Berater Ronald Reagans in Familienfragen und heute selbst Präsidentschaftsbewerber, hält den Vermonter Richterspruch für eine „höchst beunruhigende Entscheidung“. Er warnt: „Seit 6.000 Jahren hat die westliche Zivilisation die Ehe als einen Bund zwischen Mann und Frau definiert. Wenn man sich davon lossagt, ist alles möglich.“
Urteil unter: http://www.state.vt.us/courts/98-032.txt
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