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Ein Film noir für den Passanten

Mit Leuchtkästen und einer Diashow-Installation holt Irène Hug künstliche Filmdialog-Fetzen wieder zurück in die echte Stadt

Kommst du noch mit hoch?“, steht in großen Lettern in einem beleuchteten Kasten irgendwo in Berlin-Mitte: Irène Hug hat in zehn Leuchtkästen im Stadtraum Mitte und in einer Diashow im Pavillon neben der Volksbühne Filmzitate abgebildet. Die Dialogfetzen stammen aus filmischer Umgangssprache, nichts Personentypisches oder Klassisches wie etwa „Hasta la vista, baby“ oder „Schau mir in die Augen, Kleines“. So liest der Betrachter Sätze, die er sonst nur flüchtig hört, und wird zum Dialogpartner und damit auch zum Co-Darsteller in dem Film.

Irène Hug, die geborene Züricherin mit Berliner Wohnsitz, bringt Worte aus dem Kunstraum Film – künstliche Worte – in einen echten Raum zurück, in die Stadt. Dort spielen der Film und damit auch seine Dialoge ohnehin: Vorwiegend aus den stilistisch reduzierten, kühlen Films noirs der 30er- und 40er-Jahre stammen die Textbilder, jener „Schwarzen Serie“, in der Privatdetektive Trenchcoats tragen und schöne Frauen nicht lächeln können. „Sehen Sie, wie mich die Kerle zugerichtet haben“, leuchtet es beim zweiten Teil der Installation, einer Diashow, vor farbigem Hintergrund.

Liest man die überdimensionalen und leuchtenden Sätze, dann gerät man in eine Zwitterwelt zwischen dem Film und seiner festgelegten Realität (Protagonisten da auf der Leinwand, ich hier) und der eigenen Realität im Kopf, den persönlichen Erfahrungen und Assoziationen: Was bedeutet der Satz Ich gehöre nicht zu denen“, in welchem Zusammenhang könnte er stehen, aus welchem Film könnte er stammen?

Die 38-jährige Künstlerin hat bewusst auf Informationen darüber verzichtet, sie möchte die BetrachterInnen lieber raten und sich auf ihre Fantasie stützen lassen. So entsteht im dunklen und regnerischen Berlin ein Film noir aus persönlichen Ideen und Bildern, die im Kopf der PassantInnen ablaufen, ein Dialog mit fiktiven Gesprächspartnern, der sich nach den Leuchtkästen lautlos weiterentwickeln kann. Vor allem aber hat Irène Hug eine anschauliche und amüsante Auseinandersetzung mit Kunstsprache geschaffen, die den Betrachter auch über die eigene, unbewusst angewandte Sprache nachdenken lässt.

„Also Sie haben mich die ganze Zeit beschattet!“, sagt eine Person in „The Big Sleep“, der Howard-Hawks-Verfilmung des Raymond-Chandler-Krimis „Tote schlafen fest“. Und danach leuchtet ein Satz auf, wie eine ironische Reminiszenz an die Künstlerin selbst: „Ich muss sagen, so gute Arbeit sieht man selten.“ Jenni Zylka

Bis 7. Januar, tägl. ab 18 Uhr, Pavillon neben der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Weitere Leuchtkästen u. a. Alte Schönhauser Str. 41, Wein- meisterstr. 9, Gormannstr. 23, Rosenthaler Str. 6

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