Wachschützer-Demo auf dem Alex

Mit der Aktion protestieren Wachleute gegen das in der Branche verbreitete Lohndumping. Unternehmer kündigen Tarifvertrag

Stundenlöhne von sieben oder acht Mark und Zwölf-Stunden-Schichten sind in der Branche keineswegs eine Seltenheit

Berliner Wachschützer tauschten gestern auf dem Alex ihre Uniform gegen ein Weihnachtsmann-Kostüm und versammelten sich zu einem „symbolischen Weihnachtsbetteln“. Mit dieser Aktion protestierten etwa 50 Wachmänner und -frauen gegen die in der Branche – einer der wenigen aufstrebenden in der Stadt – weit verbreiteten Dumpinglöhne.

Die Beschäftigten haben von zunehmenden Aufträgen und steigenden Umsätzen im Bewachungsgewerbe nur wenig. Weihnachten ohne Weihnachtsgeld sei bereits die bittere Wahrheit für einen großen Teil der Wachmänner, kritisierte der zuständige Sekretär der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Gerd Denzel.

Nicht hinnehmbar sei auch, dass die Berliner Arbeitgeber, die im Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) organisiert sind, den geltenden Tarifvertrag zum Jahresende gekündigt hätten, so Denzel. Statt dessen habe der BDWS-Landesverband einen Tarifvertrag mit der CSU-nahen Gewerkschaft Öffentliche Dienste (GÖD) abgeschlossen. Sollte dieser Tarifvertrag angewendet werden, müssten künftig die Wachleute Lohneinbußen von rund 20 Prozent hinnehmen: Statt 13,26 Mark würden sie nur noch 10,20 Mark pro Stunde verdienen, hinzu kommt die Abschaffung von Überstundenzuschlägen und Urlaubsgeld.

Allerdings trifft dies nur neu eingestellte Wachleute und GÖD-Mitglieder, für ÖTV-Mitglieder gilt so lange der alte Tarifvertrag, bis ein neuer abgeschlossen wird. Zu entsprechenden Verhandlungen könne man sich im Januar zusammensetzen, sagte der BDWS-Landeschef Hartmut Noll gestern der taz. „Wir brauchen endlich Waffengleichheit im Tarifgeschäft“, so Noll. Schließlich habe selbst die ÖTV in verschiedenen Firmen Haustarifverträge abgeschlossen, die unter dem bisherigen Niveau lägen.

Wie in anderen Bereichen niederer Dienstleistungen – beispielsweise bei Putz- oder Kneipenjobs – ist das zunehmende Lohndumping für das Bewachungsgewerbe charakteristisch. Gerade mal 1.500 Wachleute – von insgesamt 12.000 bis 15.000 – werden überhaupt nach Tarif bezahlt. Bei allen anderen sind nach Angaben von Denzel und Noll Stundenlöhne von sieben, acht Mark keine Seltenheit. Um überhaupt etwas zu verdienen, arbeiten die Wachleute extrem lange: Regelmäßig werden Zwölf-Stunden-Schichten geschoben, und das an sechs oder gar sieben Tagen in der Woche.

Von dem gewissen Aufschwung des Gewerbes, das der Regierungsumzug gebracht hat, profitieren in erster Linie die Dumping-Firmen, die zum Teil in Brandenburg sitzen. Noll: „Wer sich in Berlin tariftreu verhält, hat keine Chancen, an Aufträge zu kommen.“ Auch die öffentlichen Auftraggeber von Bund und Land würden nur auf den Preis, nicht aber auf die Qualität achten.

Vor einem Jahr schätzte der BDWS, dass durch die Mehraufträge, die unter anderem der Regierungsumzug bringt, rund 2.500 neue Jobs in der Branche entstehen könnten. Darüber hinaus wurden Umsatzsteigerungen um drei bis vier Prozent erwartet. Zwar liegen noch keine genauen Zahlen für dieses Jahr vor, die Erwartungen scheinen dennoch nicht unbegründet gewesen zu sein. Von einem Boom könne man nicht reden, aber ein Trend nach oben sei durchaus zu verzeichnen, so Noll.

Richard Rother