: Operationen an der Witzbruchstelle
Macht Comedy wegen dem Dativ: Eckhart von Hirschhausen in der Bar jeder Vernunft
Kommt ’ne Frau beim Arzt. Diese olle Kamelle zweifelhaften Niveaus bringt Eckart von Hirschhausen nicht, obwohl er doch erstens echter Arzt ist, zweitens auch noch Komiker und drittens Zauberer. „Magical Entertainer“ nennt das die Bar jeder Vernunft, die es ja wissen muss, und lässt den Berliner eine Show moderieren, in der außer ihm noch die Gospel Singers Ingrid Arthur und Ardell Johnson und der Pianist und Sänger Rainer Bielfeldt versuchen, bezaubernd zu sein. Das sieht dann so aus: Dr. von Hirschhausen erzählt ein paar gute, halbgute und weniger gute Witze, macht dabei einige gute und halbgute Zaubertricks, und zwischendurch erwecken die Kollegen von der Baptistenfront das Publikum. Dass von Hirschhausen dabei so schön nuschelt, macht das Konzept locker und authentisch, dass er nie so richtig fies und gemein wird, das dankt ihm das weihnachtlich-versöhnlich gestimmte Publikum.
Den gemeinsten und darum besten Witz erzählt er über einen Schulkameraden mit Erdnussallergie, mit dem man früher immer Russisches Roulette gespielt habe, mit fünf Smarties und einem Treets. „Hohohoho“ lacht das Publikum da hohl und schaut sich kollektiv zum Tischnachbarn um.
Positiv anrechnen muss man dem „amtierenden Deutschen Meister in der Sparte Sprechzauberei“ (wie wohl die anderen Sparten heißen?) außerdem, dass er die von einerseits „Siegfried und Roy“ und andererseits von Gauklern, den schlimmsten aller Kleinkünstlern, belegte Zauberei ganz gut abstaubt. Dass er allerdings als Schüler für André Hellers Zauberrevue entdeckt wurde, wie der Pressetext stolz dick gedruckt hat, hätte man lieber nicht gewusst, das geht ja nun eindeutig in die Gauklerrichtung.
Manchmal bringt von Hirschhausen auch bedrückend durchschnittliche Stand-ups, da hätte man lieber noch einen albernen Zaubertrick gesehen, bei dem, wie es so üblich ist, natürlich kräftig aus dem Publikum akquiriert wird, damit der Rest was zu lachen hat. Aber wer sich bei solchen Shows immer noch nach vorne setzt, ist selbst schuld, wenn er dann auf der Bühne stehen, sich Wörter merken und blamieren muss.
A propos Publikumsakquise: Die beiden GospelsängerInnen scheinen damit auf die Welt gekommen zu sein. Kaum ist Ingrid Arthur da, hat sie das Publikum auch schon in drei Teile instrumentalisiert, die sich alle verschiedene baptistische Zustimmungsrufe merken müssen. So kommt mit minimalem Aufwand maximale Stimmung auf, und den Zuschauern passt’s ins besinnliche Gemüt. Zuschauer lieben es, mitzuklatschen, mitklatschen ist das Größte, eigentlich zwar am liebsten bei Märschen (weil man da so schön auf Eins und Drei klatschen kann), aber Gospel tut’s zu Weihnachten natürlich auch. Rainer Bielfeldt dagegen, der musikalische Begleiter von Gayle Tufts, setzt auf chansonartige Schlager mit lustigen Texten über Männer, die ihn im Waschraum des ICEs kurz vor Osnabrück wollen, und schüttelt zwischendurch ein paar trockene Kommentare aus dem kurzen Ärmel. Dann erzählt Dr. von Hirschhausen noch, dass er „das nicht wegen dem Geld macht, sondern wegen dem Dativ“, und vielleicht, wenn es bei dem jungen Mann jetzt humor- und erfolgsmäßig so richtig abgeht, muss er ja tatsächlich nie wieder operieren. Obwohl die Vorstellung, dass einen mal ein Arzt mit Humor abhorcht, auch was für sich hätte.Jenni Zylka„Schussfahrt“ mit Eckart von Hirschhausen, Ingrid Arthur & Ardell Johnson und Rainer Bielfeldt noch täglich bis 30. 12., 20:30 Uhr in der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24.
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