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Massaker in Ruanda weckt Furcht vor neuem Krieg

Hutu-Milizen kehren aus dem Kongo nach Ruanda zurück und ermorden Tutsi

Berlin (taz) – Die Täter, so berichtete ein Überlebender, waren hervorragend ausgerüstet. Mit Maschinengewehren und Panzerfäusten bewaffnet, besetzten sie das ruandische Dorf Tamira, wo aus dem Kongo zurückgekehrte ruandische Tutsi leben, und ermordeten, wen sie fanden. Nach einer Stunde, als die Angreifer flohen, waren 31 Menschen tot.

Das Massaker am Donnerstag letzter Woche war der schwerste Angriff ruandischer Hutu-Milizen in Ruanda seit Sommer 1998. Eineinhalb Jahre hatte Ruandas Regierung die sogenannten Interahamwe-Milizen, die in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo ihre Basen haben, von Ruanda ferngehalten – durch die Entsendung von 20.000 Soldaten in den Kongo, die ein Drittel des Landes beherrschen und die örtliche Rebellenorganisation RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) unterstützen.

Seit mehreren Wochen schon wird von einer Rückkehr der Milizen in den Nordwesten Ruandas nahe der Grenze zum Kongo berichtet. Die Auswirkung davon ist umstritten. Während Ruandas Armee den Angriff auf Tamera als Einzelfall abtat, reklamierte der politische Arm der Milizen „Ruandische Befreiungsarmee“ (ALIR), kurz vor Weihnachten einen Angriff auf das Armeelager Bigogwe mit 100 Toten, was die Armee nicht bestätigt.

Ihre Basen haben die Milizen in den kongolesischen Masisi-Bergen. „Mit Fallschirmen – wir wissen nicht, von wo – wird ihnen aus der Luft Nachschub geliefert, so dass sie Maschinengewehre, Panzerfäuste und Artilleriegeschosse haben“, sagte der ruandische Armeemajor Emmanuel Karemera gegenüber Reuters. Die Milizen sind mit der kongolesischen Regierung von Präsident Laurent Kabila verbündet, die auch ihre Versorgung organisiert. Da Kabila keine eigenen Flugzeuge hat, muss jemand aus den Reihen seiner militärischen Verbündeten – Angola, Simbabwe, Namibia und Sudan – diese Aufgabe übernehmen.

Simbabwes Beteiligung erscheint wahrscheinlich, da Simbabwes Regierung bereits ein Hilfsabkommen mit Burundis Hutu-Rebellen geschlossen hat und diese mit den ruandischen Milizen zusammenarbeiten.

Die Aktivitäten der Milizen haben zugenommen, seit Kabila im Oktober ankündigte, den von Rebellen beherrschten Osten des Kongo bis Jahresende zu „befreien“ und den Krieg auch nach Ruanda und Uganda zu tragen. Neben Ruanda erlebt auch Uganda in diesen Tagen eine Zunahme der Angriffe bewaffneter Gruppen aus dem Kongo heraus. In Burundi haben derweil die Hutu-Rebellen den neuesten Verhandlungsbemühungen eine Absage erteilt. Die Rebellengruppe CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie) erklärte, sie werde nicht an Friedensgesprächen unter Vermittlung Nelson Mandelas teilnehmen, die am 15. Januar wieder aufgenommen werden sollen.

In Ruanda käme die Regierung bei andauernden Milizenangriffen in Erklärungsnöte. Denn bisher begründet Ruandas Regierung ihr kostspieliges Kongo-Engagement damit, dass auf diese Weise wenigstens Ruanda friedlich bleibt. Erst vor kurzem führte sie eine unpopuläre „freiwillige“ Abgabe ein, mittels derer die Bürger den Militärhaushalt finanzieren sollen.Dominic Johnson

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