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„Das sind unsere Märtyrer“

Die Elfenbeinküste im Umbruch: Der exilierte Oppositionsführer Alassane Ouattara kehrt heim und wird als zukünftiger Präsident gefeiert ■ Aus Abidjan Silke Mertins und Heike Haarhoff

Olivier wusste schon seit Tagen genau, was er zum großen Ereignis anziehen wird: seinen guten Anzug und eine Krawatte. „Ouattara wird unser neuer Präsident werden. Das Militär hat unser Land befreit, und er wird uns in die wahre Demokratie führen.“

Alassane Drahmane Ouattara, von der vorherigen Regierung verfolgter Führer der Sammlung der Demokratie (RDR) und nach seinen Initialen ADO genannt, war während des Putsches in der Elfenbeinküste vor einer Woche noch im französischen Exil. Er ist ein Verbündeter des Generals Robert Gueï, der sich an die Spitze der meuternden Soldaten stellte. Mittwochabend ist Ouattara nun in die Elfenbeinküste zurückgekommen – mit einem Linienflug der Air France.

Nicht nur Olivier hat sich für das Ereignis fein herausgeputzt. Auch die bunten afrikanischen Stoffe, auf denen das Porträt von „ADO“ aufgedruckt ist und die noch aus den Wahlkampfzeiten der vermeintlich demokratischen Präsidentschaftswahlen von 1995 stammen, wurden von vielen Anhängern wieder aus dem Schrank geholt. „Er ist der beste Präsident, er hat das beste Programm, er hat die beste Partei“, jubelt Alain Lobougnou, der in Ouattaras RDR für Jugend zuständig ist.

Und da klatscht Alain auch schon: Gerade fahren ein halbes Dutzend führende Parteimitglieder vor. Die Oppositionellen waren nach der Machtübernahme des Militärs aus dem Gefängnis befreit worden – zusammen mit 6.500 Kriminellen, was die Wohlhabenden in der Wirtschaftsmetropole in nervöse Unruhe versetzt.

„Das sind unsere Märtyrer, unsere Mandelas. Sie mussten zusammen mit Mördern und Dieben im Gefängnis sitzen. Stellen Sie sich das mal vor! Eine Schande ist das! Aber nun haben unsere mutigen Soldaten sie und unser Land befreit“, ruft Fabienne Bogno. Einen Ouattara-Druck zum Anziehen hatte sie zur Feier des Abends zwar nicht zur Hand, dafür aber ein mit rosa Satinstreifen besetztes Kleid. Dass es Plünderungen von Geschäften, teils auch durch das Militär, gegeben hat, kann ihre Euphorie nicht bremsen – im Gegenteil. „Das muss man hinnehmen“, sagt sie. „Außerdem war das kein Putsch, denn es hat ja kein Blutvergießen gegeben.“

Genauso sieht es auch Ouattara, der am Flughafen, begleitet von seiner französichen Frau Dominique, einer toupierten Blondine, eine Erklärung abgibt. Die Machtübernahme des Militärs sei mitnichten ein Putsch gewesen, sondern ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer echten Demokratie. Das solle die internationale Gemeinschaft endlich begreifen.

Ouattara setzt alles daran, einen entgegengesetzten Eindruck zum gestürzten Präsidenten Henri Konan Bédié zu erwecken. Bédié wurde Arroganz vorgeworfen – also spricht Ouattara von Dialog. Bédié galt als beratungsresistenter Willkürherrscher – also verspricht Ouattara einen Rechtsstaat. Bédié ließ Millionen an Hilfsgeldern verschwinden – also mahnt Ouattara, der langjährige Vizedirektor des Internationalen Währungsfonds, zu Transparenz. Bédié spaltete das Land mit seiner chauvinistischen Migrantenpolitik und sprach sogar Ouattara die „Ivorität“ ab – also beschwört Ouattara die nationale Versöhnung.

Politische Beobachter rechnen nicht wirklich mit einem Politikwechsel in der Elfenbeinküste. Denn auch Ouattara befürwortet einen wirtschaftsliberalen Kurs wie Bédié. Nur sauberer soll es zugehen, sollte er im Anschluss an die parteiübergreifende Übergangsregierung unter Gueïs Führung und die für Oktober 2000 angesetzten Wahlen Präsident werden. Programmatisch bietet nur der andere Oppositionsführer, der Sozialist Laurent Gbagbo von der Ivoirischen Volksfront (FPI), eine Alternative. Doch das spielt derzeit in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Die FPI steht ebenso wie die RDR hinter den Militärs.

Bédiés Feind ist Volkes Freund: Ouattara, der verfolgte Oppositionelle, ist zum Helden der Nation geworden. Das hindert den geflohenen Bédié nicht daran, starrsinnig und entrückt von der Realität an einer Präsidentschaftskandidatur festzuhalten.

In Abidjan geht unterdessen das Leben weiter, als habe es nie einen Putsch gegeben. In den Geschäften des glitzernden Stadtzentrums Plateau herrscht Hochbetrieb. Franzosen wie Ivoirer bereiten sich auf ein rauschendes Fest zum Jahrtausendwechsel vor. Soldaten sind fast nirgendwo zu sehen. Nur der Ausgangspunkt des Putsches, der staatliche Fernsehsender RTI, sowie die Banken und Ministerien, wo nach verschwundenen Geldern gesucht wird, werden von bis an die Helme bewaffneten Militärs bewacht. „Hier drinnen“, sagt einer von ihnen, „wird jetzt richtig aufgeräumt.“

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