: Burning Stars & Stripes
Den USA ein Dorn im Auge – ein norddeutscher Fahnenhändler lebt gefährlich
Er möchte seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen, auch nicht, wo er wohnt: „Schreiben sie, da, wo Hamburg im Süden aufhört und die Nordheide beginnt, das muss reichen.“ Tatsächlich hat Knut (56)* guten Grund, anonym zu bleiben. Denn er hat mächtige Feinde zu fürchten. Den israelischen Geheimdienst Mossad zum Beispiel. Oder die CIA. Und nicht zu vergessen: einen gewaltbereiten Pfarrer aus dem Kreis Uelzen.
Aber der Reihe nach. Es begann eines Abends vor neun Jahren. Da zeigte die „Tagesschau“, wie irakische Demonstranten in Bagdad eine US-Fahne verbrannten. „So was sah man ja gelegentlich im TV, ohne dass einen das allerdings sonderlich gekümmert hätte“, erinnert sich Knut. Dieses Mal aber zündete das brennende Sternenbanner einen Geistesblitz in ihm: „Ich fragte mich, wie kommen die Mullahs eigentlich immer an die Ami-Fahnen, die sie da ständig abfackeln. Und dann dachte ich, warum bin ich eigentlich nicht derjenige, der sie ihnen liefert.“ Damit hatte Knut die Idee seines Lebens.
Als zusätzliche glückliche Fügung sieht Knut es heute an, dass damals gerade seine Mutter verstorben war. Die hatte ihm eine kleine Barschaft hinterlassen, dank der er jetzt sämtliche Sternenbanner-Bestände Norddeutschlands aufkaufen konnte. „Hätte ich das Geld dafür bei ’ner Bank borgen sollen? Die hätten mich doch für komplett verrückt erklärt.“ So konnte Knut bereits nach drei Wochen über ein in Hamburg ansässiges libanesisches Import-Export-Unternehmen eine erste Ladung amerikanischer Flaggen, Fahnen und Fähnchen jedweder Form und Größe nach Nahost absetzen. Wie genau die in den Irak gelangten, will Knut nicht verraten („Vertriebsgeheimnis“). Sicher ist nur, dass er die gesamte Ladung dem irakischen Innenministerium andrehen konnte, und zwar „gegen eine hübsche Menge US-Dollar und mit einem Supergewinn“, wie er noch heute stolz betont.
In kurzen Abständen folgten weitere Lieferungen, und das nicht nur in den Irak. Bald brannten seine Fahnen auch im Iran und überall da im Mittleren und Nahen Osten, wo man den USA nicht unbedingt wohlgesonnen ist; allein die Hisbollah bestellte einmal zehntausend Sternenbanner, um sie dann auf einer einzigen Kundgebung im südlichen Libanon abfackeln zu lassen. Auch die radikalen Islamisten in Ägypten gehörten schnell zu Knuts Großkunden – und sind es bis heute geblieben. Mitte der 90er lieferte er im Auftrag des Taliban-Regimes sogar bis nach Afghanistan. Kuba bestellt regelmäßig ein großes Sortiment „Stars & Stripes“, und seit kurzem gehört auch die Bundesrepublik Jugoslawien zu Knuts Abnehmern – Slobodan Milošević persönlich hat die Order unterschrieben.
Musste Knut seine Ware anfangs noch über den deutschen und belgischen Großhandel beziehen, baute er bald auf eine eigene Produktion. Er kaufte eine kleine polnische Weberei (nahe Danzig) und ließ fortan die hier gefertigten Stoffe in den umliegenden Dörfern in Heimarbeit vernähen. Da die Polen ein schwerer entflammbares, aber dadurch auch erheblich länger brennendes Tuch webten, konnte er den Absatz noch einmal deutlich steigern. Als dann eine seiner Näherinnen auf die Idee kam, den Sternen im US-Banner die Form des jüdischen Davidsterns zu geben, bedeutete das den Durchbruch. Wenn heute irgendwo im Vorderen oder Mittleren Orient eine amerikanische Flagge brennt, ist es jedenfalls meistens eine aus Knuts Produktion.
Mittlerweile ist Knut ein gemachter Mann. „Selbst wenn die Amis plötzlich die besten Freunde der Mullahs würden, hätte ich ausgesorgt.“ Aber Knut ist auch ein gefährdeter Mann. CIA und, seitdem er die israelische Fahne mit in sein „Burning-Flag-Programm“ genommen hat, auch der Mossad jagen ihn. Davon zumindest ist der Pfarrer seines Heimatdorfes („... irgendwo im Kreis Uelzen“) überzeugt. Als der von dem Fahnenhandel erfuhr, bedrohte er Knut massivst. Sollte er das Dorf nicht schnellstmöglich verlassen, gäb’s Schläge.
Der Gottesmann fürchtete allen Ernstes, dass im Rahmen von eventuellen Vergeltungsschlägen gegen Knut gleich der ganze Sprengel weggebombt werden könnte. Knut ist der pastoralen Gewaltandrohung gewichen und in die Nähe Hamburgs gezogen, bleibt aber fortan lieber anonym.
Fritz Tietz
*Knuts vollständiger Name und derzeitiger Wohnort ist dem Autor bekannt
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