: Dörfer gehen in Flammen auf
Auf den indonesischen Molukken ist ein Ende des gegenseitigen Abschlachtens von Christen und Muslimen nicht in Sicht. Politiker reagieren hilflos ■ Von Jutta Lietsch
Bangkok (taz) – Weder der muslimische Fastenmonat Ramadan noch die christlichen Weihnachtstage konnten die Gewalt bremsen: Rund 500 Menschen starben allein in der vergangenen Woche auf den indonesischen Molukken bei den schlimmsten Unruhen seit Jahrzehnten. Und kein Tag vergeht ohne neue Schreckensmeldungen: So gingen gestern auf Seram aufgeputschte Banden aufeinander los. Ganze Dörfer gingen in Flammen auf, mindestens 17 Menschen kamen ums Leben, so ein Militärsprecher. Genaue Zahlen sind kaum zu erhalten – zu abgelegen sind die Orte der Molukken, die sich auf 86.000 Quadratkilometern verteilen.
Seit dem Wochenende durchkämmen tausende Soldaten die Provinzhauptstadt Ambon. Sie finden nicht nur ein erschreckendes Arsenal von Macheten und selbst gebauten Gewehren, sondern auch Gewehre und Handgranaten aus Beständen von Polizei und Armee.
Über 180.000 Menschen flohen mittlerweile aus ihren Dörfern. Ein Gerücht, eine Auseinandersetzung mit dem Nachbarn, ein Verkehrsunfall – geringste Anlässe reichen derzeit aus, um eine neue Mordwelle auszulösen.
Immer lauter wird die Kritik an Regierung und Militär: Warum ist Jakarta unfähig, das Morden zu beenden? Bis Anfang letzten Jahres schienen Christen und Muslime auf den mehr als hundert Gewürzinseln rund 2.000 Kilometer östlich von Jakarta harmonisch zusammenzuleben. Anders als im Rest des Landes sind viele Molukken-Orte überwiegend christlich – Erbe der portugiesischen und holländischen Missionare, die einst mit den Händlern von Muskatnüssen und Gewürznelken kamen.
Als die Gewalt vor einem Jahr begann und in Ambon erst Moscheen und Kirchen, dann Dörfer und Stadtviertel in Flammen aufgingen, waren Politiker und Militärs in Jakarta unvorbereitet. Inzwischen werfen Christen und Muslime Armee und Polizei vor, zugunsten der anderen Religionsgemeinschaft einzugreifen und Schutzgelder zu erpressen. Dieser Vorwurf ist nicht abwegig: Soldaten werden so schlecht entlohnt, dass sie andere Einnahmen brauchen. Einige Militärs sollen gemeinsame Sache mit lokalen Mafiagruppen machen, die sowohl unter Christen als auch unter Muslimen zu finden sind.
Öffentliche Friedensgelöbnisse mit Politikern, Geistlichen und Uniformierten wurden – kaum waren sie ausgesprochen – wieder gebrochen. Auch ein Besuch von Präsident Abdurrahman Wahid und seiner Stellvertreterin Megawati Sukarnoputri im Dezember half nicht, den „Wahnsinn“ (Wahid) zu beenden. Bislang lehnt der Regierungschef ab, das Kriegsrecht auf den Molukken zu verhängen. Megawati, die von Wahid bei ihrem Amtsantritt im Oktober die persönliche Verantwortung für die Lösung des Molukken-Problems übertragen bekam, erwies sich dazu bislang als unfähig. Vorschläge für eine neue Strategie sind von ihr nicht zu hören. Sie ließ es sich auch nicht nehmen, in Hongkong Urlaub zu machen, als die Gewalt zum Jahresende ihren ersten Höhepunkt erreichte.
Dazu kommt, dass es zwischen dem Präsidenten und Teilen der Armee schwere Differenzen wegen der Verantwortung hoher Generäle für Menschenrechtsverletzungen gibt: Unbestätigten, aber hartnäckigen Gerüchten zufolge will Wahid den früheren Armeechef Wiranto, der heute Minister für Politik und Sicherheit ist, aus dem Kabinett werfen. Angesichts solcher Konflikte sind die Politiker in Jakarta mehr mit sich selbst als mit den unruhigen Randregionen beschäftigt.
Örtliche Vertreter der Gemeinschaft der protestantischen Kirchen forderten kürzlich die UNO auf, sich in den Konflikt einzuschalten – was in Jakarta strikt abgelehnt wird. Stattdessen schlug General Wiranto vor, getrennte Zonen für die verschiedenen Religionsgemeinschaften zu schaffen. Ein Sprecher der Militärs im Parlament: „Die Trennung wäre keine langfristige Lösung, könnte aber helfen, das Abschlachten in der Provinz zu beenden.“
Solche Vorschläge sind Zeichen der Ratlosigkeit: Denn was als religiöse Unruhen zwischen Christen und Muslimen erscheint, hat seine Wurzeln in angestauten sozialen und politischen Problemen: Unter Ex-Präsident Suharto waren hundertausende – meist muslimische – Bewohner dicht besiedelter Inseln auf die ursprünglich überwiegend christlichen Molukken umgesiedelt worden. Streit über Landrechte, Konkurrenz zwischen Händlern, Ärger über „fremde“ Beamte waren die Folge. Die Christen fühlen sich verdrängt, nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch von begehrten Posten in der Verwaltung. Inzwischen sind 54 Prozent der knapp zwei Millionen Bewohner Muslime.
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