Die Konjunktur zieht weiter an

Prognose 2000 für Deutschland: Weil die Ausfuhren zunehmen, könnte selbst die Arbeitslosigkeit sinken. Trotzdem Gefahren ■ Aus Berlin Reiner Metzger

Es könnte alles gut werden, so gestern das Fazit der Konjunkturprognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Wirtschaft in Deutschland – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – wächst im laufenden Jahr um 2,4 Prozent. Wenn die Löhne nicht stärker steigen als die etwa drei Prozent von 1999, könnte der Aufschwung sogar noch die folgenden Jahre anhalten. Dann würde auch erstmals die Zahl der Arbeitslosen sinken, meinen die Berliner Forscher. Das einzige Problem sehen sie in der übervorsichtigen Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt: Die könnte die Zinsen zu früh hochsetzen und so die Konjunktur abbremsen.

Alljährlich im Januar legt das schon 1925 gegründete Institut seine Jahresprognose vor. Es fordert traditionell, eher die Kaufkraft der Konsumenten zu stärken, als zu stark zu sparen.Vor einem Jahr gab es wegen der Vorhersage Schelte von der neuen Bundesregierung: Das Wachstum in Deutschland sei mit 1,4 Prozent viel zu pessimistisch vorhergesagt, hieß es damals noch aus Bonn. Die Zahlen für 1999 gaben dem DIW jedoch Recht, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg gesamtdeutsch nur um 1,3 Prozent.

Im laufenden Jahr sollen es nun fast doppelt so viel werden. Die Delle in der Konjunktur, ausgelöst durch Asien- und Russlandkrise, sei damit überwunden, so das DIW. Der Aufschwung kommt jedoch wieder nicht vom Konsum der Deutschen – dafür steigt das Einkommen der breiten Masse zu wenig –, sondern von den Exporten der Industrie in andere Länder. Die nehmen um satte neun Prozent zu, so die Prognose. Die deutschen Exporte steigen damit stärker als in jeder anderen Industrienation. Vor allem das Geschäft mit den USA und Südostasien boomt weiter und wieder.

Ein „gutes Signal“ sieht der neue DIW-Chef Klaus Zimmermann dabei in den jüngsten Ankündigungen der Bundesregierung zur Steuerreform. Vor Weihnachten hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel die nächste Stufe der Reform vorgestellt. Dabei wird zum Beispiel überraschend der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen für Kapitalgesellschaften steuerfrei, Firmen werden überwiegend entlastet. Das beschleunigt laut DIW den dringend nötigen Umbau der deutschen Wirtschaft.

Es ist natürlich nicht alles schweinchenrosa bei der Weltkonjunktur. DIW-Chefkonjunkturforscher Gustav Horn macht sich zum Beispiel Sorgen um das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA. Wie Mitte der 80er-Jahre führen die Vereinigten Staaten wesentlich mehr Waren ein als aus. Das schwächt auf Dauer die Währung. Wenn der Dollar aber fällt, steigt im Gegenzug der Euro, deutsche Exporte werden teurer, was wiederum den exportabhängigen Konjunkturaufschwung bremst.

Die Arbeitslosen haben von dem Aufschwung 2000 erst mal wenig. Die Zahl der Erwerbstätigen steigt nämlich laut Zimmermann und Horn nur dann signifikant, wenn die Wirtschaft über Jahre hinweg mit drei Prozent oder mehr wächst. Das ist jedoch nicht ausgeschlossen, vor allem wenn ab 2001 endlich auch in Japan die Konjunktur anziehen sollte.

Selbst die von Volkswirtschaftlern oft kritisierte Finanzpolitik der Bundesregierung ist nach Meinung des DIW so schlecht nicht: Zwar bremse die derzeitige Sparpolitik des Finanzministeriums das Wachstum um 0,3 bis 0,4 Prozent pro Jahr. „Doch wenn die Steuerreform wie angekündigt umgesetzt wird, ist ein Wachstum von drei Prozent oder mehr über Jahre hinweg möglich“, so gestern Konjunkturforscher Horn.

Ein Problem sehen die Berliner Volkswirte traditionell in der übervorsichtigen Zentralbank, nach der Bundesbank nun die EZB. Die Frankfurter Euro-Banker ziehen nach Meinung des DIW zu früh die Bremsen bei der Geldplitik an: Die Zinsen wurden Ende letzten Jahres verteuert, obwohl es keine erkennbare Inflation gebe. Und die Realzinsen, die Differenz zwischen Inflation und Zinssätzen, sind im Euro-Raum schon wieder höher als in den USA – das verteuert Investitionen hier zu Lande.

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