: Hintern gehört zum Handwerk
Geschichten, die nach heute klingen: Frauen in Männerbranchen ■ Von Sandra Wilsdorf
Jede Frühstücks-, jede Mittagspause das Gleiche: Einer reißt sexistische Sprüche, und alle starren auf Sabine Hausherr. „Irgendwann habe ich ihn gefragt, wo sein sexuelles Problem läge“, erzählt sie heute, zehn Jahre später. Nachdem sie dann noch einen Gesellen angebrüllt hatte, weil der auf ihren Hintern klopfte, klebte ein Schild an ihrem Fach: „Sabine ist verklemmt.“ Wenn Frauen sich für einen Handwerksberuf und ein Arbeiten allein unter Männern entscheiden, erfahren sie Geschichten, die nicht nach hier und heute klingen.
Sabine Hausherr ist eine von 92 Frauen, die sich bei dem Verein „Berufliche Autonomie für Frauen“ (BAFF) in Ottensen für den ersten Arbeitsmarkt oder die Existenzgründung qualifizieren. Sie können wählen zwischen Küche, Gärtnerei, Büro- und Präsenta-tionsservice, Metall- und Holzwerkstatt. Zudem betreibt BAFF die Agentur „Hand in Hand“, die Auftragsarbeiten an Handwerkerinnen weiterleitet.
„Frauen im männlich dominierten Handwerk haben es immer noch schwer“, bestätigt Inge Bornemann von der Handwerkskammer Hausherrs Erfahrungen. Statt der ersten Hürde Ausbildungsplatz gebe es jetzt eine zweite Schwelle: die zwischen Ausbildung und Festanstellung. Dazu gibt es keine eindeutigen Zahlen, keine Arbeitsamts-Statistiken, aber Gefühle und Erfahrungen. „Es gibt Studien, die zahlenmäßig belegen, dass es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Andere Studien sagen das Gegenteil, und das ist auch eher meine Erfahrung“, sagt Inge Bornemann. Das läge häufig gar nicht an den Chefs, sondern an den Gesellen: „Die haben Angst vor der Konkurrenz.“ Als Auszubildende würden Frauen noch geduldet, aber als kompetente Kollegin: lieber nicht.
Das deckt sich mit dem, was Sabine Hausherr und die anderen BAFF-Tischlerinnen erzählen: „Während meine Kollegen reichlich Angebote hatten, habe ich Bewerbungen über Bewerbungen geschrieben“, erzählt Astrid Bah. 1990 hat sie ihre Ausbildung begonnen. Nach eineinhalb Jahren hat sie den Druck nicht mehr ausgehalten. War es leid, dass sie extra große Platten schleppen musste - „zeig' mal, was du kannst“, dass sie die Männer-Klos putzen sollte, dass jeder ihrer Fehler eine Erzählung wert wahr. „Dann habe ich in einer Genossenschaft meine Ausbildung beendet. Das war toll.“
Anschließend hat sie sich so durchgeschlagen. „Die Angebote vom Arbeitsamt bezogen sich immer auf meine soziale Kompetenz, nie auf mein Handwerk.“ Anleiterin, Betreuerin und nebenbei den schwer erziehbaren Jugendlichen mal erklären, wie man eine Säge hält. Andere Handwerkerinnen sind froh über einen Job im Antiquitätengeschäft, viele schlagen sich mit Schwarzarbeit durch.
Tischlerin Scholastica Dey ist deshalb klar: „Frauen müssen ihr Schicksal selber in die Hand nehmen, Männer lassen uns da nicht rein.“§
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen