: Brisante Fakten fördern die Einsicht
■ Hapag Lloyd nimmt Entlassung der gesamten „MS Europa“-Crew zurück
Den Gewerkschaften ÖTV und DAG ist vor der Seekammer des Hamburger Landesarbeitsgerichts ein spektakulärer Deal mit der Großreederei Hapag Lloyd AG gelungen: Nach dreijährigen Auseinandersetzungen erklärte sich Hapag Lloyd jetzt bereit, die vor drei Jahren gefeuerte Crew der „MS Europa“ zu deutschen Tarif- und Sozialbedingungen bei der „Hapag Lloyd Kreuzfahrt GmbH“ wieder einzustellen. Das bestätigte ÖTV-Schifffahrtsexperte Klaus Meyer der taz-hamburg auf Anfrage. Die entsprechenden Angebots-Schreiben gehen in diesen Tagen an die Betroffenen.
Im Herbst 1997 hatte die Reederei die „MS Europa“ in einem Überraschungscoup an die Firma „Star Cruise“ in Malaysia verscherbelt, die gesamte Mannschaft entlassen, das Schiff aber gleichzeitig zurückgechartet. Die ÖTV vermutete damals, dass die Maßnahme nur ein Trick war, die 350-köpfige Besatzung gegen eine neue Crew austauschen zu können, die zu ausländischen Billiglohnbedingungen arbeitet. Über hundert Seeleute zogen dagegen vors Arbeitsgericht, etliche bereits mit Erfolg: Sie mussten weiterbeschäftigt werden, auf ausgeflaggten Schiffen zwar, aber zu deutschen Bedingungen.
Zur Vorbereitung der noch offenen Verfahren durchleuchteten die ÖTV und die Internationale Transportarbeiterförderation das Hapag-Lloyd Firmenkonstrukt. Dabei stießen sie auf brisante Fakten. Über die Details schweigen sich die Gewerkschaften zwar aus. Offenbar war das Material aber belastend genug, um Hapag Lloyd zu bewegen, unter der Moderation von Seerichter Gunnar Rath einer stillen außergerichtlichen „Generalbereinigung“ zuzustimmen.
Die sieht vor, dass nun alle individual- und betriebsverfassungsrechtlichen Verfahren erledigt sind. Im Gegenzug bietet Hapag Lloyd allen alten „MS Europa“-Besatzungsmitgliedern unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit eine Weiterbeschäftigung auf einem ihrer vier Kreuzfahrtschiffe an. „Dies gilt auch für diejenigen Arbeitnehmer, die selbst keine Klage erhoben haben“, so Meyer.
Diejenigen, die damals per Abfindung ausgeschieden sind und anschließend arbeitslos waren, dürfen sogar einen Teil dieses Geldes behalten. Und auch der gefeuerte Ex-Betriebsrat nimmt bis zur Neuwahl seine Arbeit wieder auf. Bis Ende Februar haben die betroffenen Seeleute jetzt Zeit, zu den Angeboten Stellung zu nehmen.
Kai von Appen
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