: Wahl zwischen Chaos und harter Hand
Morgen wählen die Usbeken einen neuen Präsidenten. Es wird der alte sein. Amtsinhaber Karimow hat alle Konkurrenten ausgeschaltet
Berlin (taz) – Die wichtigste Wahl hat Islam Karimow schon gewonnen: Laut einer derzeit in der usbekischen Hauptstadt Taschkent zirkulierenden angeblichen BBC-Umfrage wurde er gerade zu Usbekistans „Mann des 20. Jahrhunderts“ gewählt. Mit diesem propagandistischen Rückenwind geht der seit der Unabhängigkeit regierende 61-jährige frühere Chef der usbekischen KPdSU daran, sich morgen zum dritten Mal das Präsidentenamt in der Republik zwischen Aralsee und Pamirgebirge zu sichern.
Kaum jemand zweifelt daran, dass es ihm auch gelingen wird. Eine wirkliche Opposition gibt es nicht. Karimow hat sich mit einer Mischung aus harter Repression und autoritärer Selbststilisierung zum Nachfolger Tamerlans – der Herrscher über ein ausgedehntes mittelalterliches Steppenreich war und dessen Mausoleum in Taschkent vor einigen Jahren mit erheblichem Pomp restauriert wurde – als unumschränkter Herrscher in der wirtschaftlich stärksten GUS-Republik in Mittelasien etabliert. Dabei kommt Karimow zugute, dass er mit der „islamischen Gefahr“ wie in Afghanistan und Tadschikistan drohen kann.
Die Usbeken, demokratisch wenig geübt, haben die Alternative verstanden: die harte, aber gerechte Hand Karimows oder das Chaos. Die Regierung hat in der Präsidialrepublik wenig zu sagen, das Ende Dezember gewählte Parlament ist reine Garnitur. Kritische Stimmen hat der Geheimdienst ausgeschaltet. Die damals noch relativ gemäßigten Islamisten trieb er nach der Unabhängigkeit 1991 in den Untergrund; ihr Parteichef ist bis heute „verschwunden“.
Die nationalistische Opposition, entstanden aus Bürgerbewegungen der Perestroika-Zeit, ließ Karimow ein paar Jahre später unter vorgeschobenen Beschuldigungen verbieten. Ihr Antrag, zur letzten Wahl zugelassen zu werden, wurde abgelehnt. Die islamische Geistlichkeit machte Karimow nach sowjetischem Vorbild durch staatliche Zuwendungen abhängig und gefügig. Der Obermufti in Taschkent preist den Präsidenten in den höchsten Tönen, weil er die erste Übersetzung des Korans ins Usbekische inspiriert habe. Mullahs, die sich der staatlichen Autorität widersetzen, wird kurzerhand die Moschee geschlossen.
Aber Druck erzeugt irgendwann Gegendruck. So muss Karimow inzwischen wieder die Islamisten fürchten, deren Reste mangels Betätigungsfeld im eigenen Land im Bürgerkrieg im benachbarten Tadschikistan militärische Praxis sammelten. Im Februar schlugen sie erstmals zu und verfehlten Karimows Staatskarosse mit einer Autobombe im Zentrum Taschkents nur knapp. Im Herbst wollten usbekische Rückkehrer aus dem beigelegten Tadschikistan-Krieg mit der Entführung von vier japanischen Geologen und mehreren hohen Militärs im benachbarten Kirgisistan den Durchzug in die Heimat erzwingen.
Nach dem Attentat schlug Karimow hart zurück. Hunderte wurden verhaftet, in mehreren Prozessen sechs Todesurteile und lange Haftstrafen verhängt. Nach den Urteilen kam es zu Protesten von Angehörigen, die den Behörden vorwarfen, nicht die wirklichen Schuldigen verurteilt zu haben. Dies ist möglich: Schon bei früheren Verfahren gegen angebliche Fundamentalisten hatten einige den Vorwurf erhoben, ihre Geständnisse seien unter Folter erzwungen worden.
So bleibt morgen ausgerechnet Abdulhafiz Dschalalow, Vorsitzender der KP-Nachfolgerin Volksdemokratische Partei, einziger „Gegenkandidat“ Karimows. Denn der Präsident selbst hat sich überraschenderweise von der Nationaldemokratischen Partei der Fidokarlar („die sich selbst Aufopfernden“, usbekische Form des arabischen „Fedayin“) aufstellen lassen, die erst 1998 gegründet wurde. Sie soll stärker die Jugend ansprechen – die Hälfte der 24 Millionen Usbeken ist jünger als 30 Jahre – und sie von der Identifikation mit den Islamisten abhalten. Thomas Ruttig
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