: Der „lebende Buddha“und seine Rivalen
Der 17. Karmapa wird sowohl vom Dalai Lama als auch von Peking anerkannt
Mit Gyalwa Karmapa begann im 12. Jahrhundert die institutionalisierte Reinkarnation des tibetischen Buddhismus. Seine 17. Reinkarnation, der 14-jährige Orgyen Trinley Dorje, gilt nach dem Dalai Lama und dem Pantschen Lama als dritthöchster religiöser Führer der Tibeter. Er ist der Einzige, der sowohl vom Dalai Lama und seiner Exilregierung als auch von Chinas kommunistischer Regierung anerkannt wird.
Im Unterschied zu Dalai Lama und Pantschen Lama, die der Gelugpa-Schule („Gelbmützen“) angehören und auch eine explizit politische Funktion haben, ist der Karmapa der höchste Geistliche der Karma-Kagyu-Schule, die von Peking als „Weiße Sekte“ bezeichnet wird. Diese bedeutende Minderheit im tibetischen Buddhismus hat ihre Hochburg in der osttibetischen Region Kham.
Der am 25. Juni 1985 in Kham geborene Orgyen Trinley Dorje war im September 1992 als Reinkarnation seines Vorgängers eingesetzt worden und wurde kurz darauf von Peking bestätigt. Dort wird er ehrfurchtsvoll als „Lebender Buddha“ bezeichnet. Sein bisheriger Sitz war das Kloster Tsurphu, 60 Kilometer nördlich der tibetischen Hauptstadt Lhasa.
Die Wahl der 17. Reinkarnation trafen die Stellvertreter des 16. Karmapa. Diese vier Würdenträger zerstritten sich jedoch. Während einer noch vor der Wahl verstarb und zwei den Nomadenjungen Orgyen Trinley Dorje bestimmten, bestand der Vierte auf Thaye Dorje als Reinkarnation.
So gibt es heute nicht nur zwei rivalisierende Pantschen Lama, sondern auch zwei rivalisierende Karmapa. Beim Pantschen Lama, der bei der Wahl des künftigen Dalai Lama eine Schlüsselrolle spielt, streiten sich Peking und der heutige 14. Dalai Lama um die Reinkarnation. Peking hält Gedhun Choekyi Nyima, der als sechsjähriger Junge 1995 vom Dalai Lama als Reinkarnation des Pantschen Lama bestätigt wurde, an unbekanntem Ort gefangen und versucht mit einem Pantschen Lama eigener Wahl Einfluss auf die Tibeter zu bekommen. Der Konflikt um die beiden Karmapa ist dagegen ein originär innertibetisches Problem, das heute vor allem die Anhänger des tibetischen Buddhismus im Ausland beschäftigt. So hat der „falsche“ Karmapa, der bereits seit 1994 in Nordindien lebt, viele Anhänger in Europa.
Peking hat schon früh versucht, sich Orgyen Trinley Dorje gefügig zu machen. So schenkte die Regierung dem damals zehnjährigen 1995 einen Geländewagen. Das Auto solle die Gebete des Knaben „inspirieren“, wie damals eine Zeitung schrieb, und ihm ermöglichen, „den tibetischen Buddhismus zu verbreiten“. Sven Hansen
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