: DIW: Kanzlerbahn braucht keiner
■ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom Alex ins Regierungsviertel für überflüssig und zu teuer. SPD will neue Bedarfsprognose
Der Bau der umstrittenen Kanzlerbahn könnte demnächst ins Stocken geraten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat jetzt die geplante Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 vom Alexanderplatz zum Lehrter Bahnhof kritisiert. Grund: Die Wirtschaftsforscher halten die Linie für überflüssig und zu teuer.
„Gemessen an den volkswirtschaftlichen Kosten von 1,3 Milliarden Mark ist der Bau der neuen U 5 nicht gerechtfertigt“, sagte DIW-Verkehrsexperte Hartmut Kuhfeld. Schließlich würden nach einer DIW-Studie von 1993 nur rund 40.000 Fahrgäste die 3,9 Kilometer lange Strecke benutzen, die das Rote Rathaus direkt mit dem Kanzleramt am Reichstag verbindet. Kuhfeld hält diese Prognose auch heute noch für realistisch.
Der Senat hingegen stützt sich auf eine 1994 erstellte Studie des Münchener Planungsbüros Intraplan, nach der bis zu 200.000 Menschen täglich die Linie nutzen, die parallel zur S-Bahn verläuft. Die Strecke ist derzeit teilweise in Bau und soll 2006 in Betrieb gehen; insgesamt wurden bereits mehr 100 Millionen Mark verbuddelt.
Auch der SPD-Verkehrsexperten Christian Gaebler steht der U-5-Verlängerung skeptisch gegenüber. „Die Verkehrsverwaltung müsste jetzt eine neue Bedarfsprognose erarbeiten.“ Sollte diese zeigen, dass die U-5-Verlängerung überflüssig sei, müsse man „noch einmal ergebnisoffen diskutieren“. Die U 5 habe für ihn keine Priorität, so Gaebler. Wichtiger sei es, den Lehrter Bahnhof an die Straßenbahn Richtung Prenzlauer Berg anzubinden. Die dafür benötigten Gelder könnten auch durch eine zeitliche Streckung des U-5-Baus aufgebracht werden.
Von den 1,2 Milliarden Mark für die U 5 muss das Land Berlin allerdings nur rund 50 Millionen aufbringen. Den Rest zahlt der Bund: Rund 300 Millionen fließen direkt aus dem Hauptstadtvertrag in das Projekt. Weitere 850 Millionen werden über Nahverkerkehrsförderprogramme finanziert. Dieses Geld könnte auch in andere Infrastrukturprojekte fließen. „Im Moment haben wir aber einen Vertrag mit dem Bund zum Bau der U 5“, räumte Gaebler ein.
Die Grünen haben indes den Senat und die Bundesregierung aufgefordert, die U-Bahn-Planungen aufzugeben. Stattdessen müsse eine Straßenbahnverbindung durch Leipziger und Potsdamer Straße zum Innsbrucker Platz in Schöneberg gebaut werden. Verkehrsexperte Michael Cramer: „Der Bau kostete nur ein Zwanzigstel, die Betriebskosten betrügen nur die Hälfte, und der Arbeitsplatzeffekt wäre um das Vierfache höher als beim Bau der U 5.“
Richard Rother
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