: Ein Papier soll den Frieden bringen
Offiziell ist geheim, was Syriens Außenminister und Israels Premier besprachen. Doch langsam werden Details eines Arbeitspapiers bekannt ■ Aus Jerusalem Susanne Knaul
Das amerikanische Arbeitspapier, das US-Präsident Bill Clinton am vergangenen Freitag den beiden Partnern im syrisch-israelischen Dialog vorlegte, machte einen kleinenDurchbruch möglich. Syriens Außenminister Faruk asch-Schara und Israels Premierminister Ehud Barak verließen gestern Shepherdstown. Nach tagelangem Hin und Her über die Tagesordnung einigten sich beide Seiten darauf, das so genannte Shepherdstown-Papier zur Grundlage weiterer Diskussionen zu machen. Das Papier stieß vor allem bei den Syrern auf große Genugtuung. Die Amerikaner stützen sich darin auf die Ergebnisse früherer Verhandlungen und greifen als zentralen Punkt den syrischen Vorschlag für den künftigen Grenzverlauf zwischen beiden Staaten auf: eine Rückkehr zu den Grenzen vom 4. Juni 1967. Israel stimmt grundsätzlich einem kompletten Abzug von den Golanhöhen zu, will jedoch den exakten Grenzverlauf von künftigen Sicherheitsregelungen abhängig machen. Mit dieser Erklärung haben die Syrer im Grunde ihr zentrales Verhandlungsziel bereits erreicht. Im Gegenzug signalisierten sie, Berichten zufolge, Kompromissbereitschaft hinsichtlich „kleinerer Grenzkorrekturen“.
Auch im Bereich der Sicherheitsregelungen geben sich beide Verhandlungsseiten flexibler als bisher. So zeichnet sich ein Kompromiss hinsichtlich der israelischen Präsenz in den Vorwarnstationen auf den Golanhöhen ab. Vermutlich läuft es darauf hinaus, dass die israelischen Militärs eine mit Parabolatennen ausgestattete Nachrichtenstation auflösen; eine zweite wird im Anschluss an den Friedensvertrag von amerikanischen Militärs betrieben werden, wobei weiterhin Israelis in der Anlage auf dem Hermon-Berg stationiert bleiben. Mit Blick auf die Entmilitarisierung auf beiden Seiten ist Syrien, das bislang auf „Symmetrie“ beharrte, offenbar inzwischen bereit, die unterschiedlichen „topografischen Gegebenheiten“ auf beiden Seiten der Grenze zu berücksichtigen.
Nach Veröffentlichungen der in London erscheinenden arabischsprachigen Tageszeitung al-Hayat fordert Syrien nicht nur den Abzug von den Golanhöhen „innerhalb von sechs Monaten“ nach Unterzeichnung des Friedensabkommens, sondern zudem die Zerstörung sämtlicher Siedlungen dort. Der syrische Korrespondent der Zeitung, Ibrahim Hamidi, der über die Gespräche in Shepherdstown berichtet, hatte Auszüge aus dem amerikanischen Arbeitspapier veröffentlicht. Von israelischer Seite wurde die Richtigkeit dieser Veröffentlichung nicht offiziell bestätigt. „Kein Kommentar“, hieß es auf Anfrage aus dem Büro des Premierministers.
Den Berichten zufolge dürfe kein „Zeichen der Besatzung“ zurückbleiben, heißt es. Eine solche Forderung wird nicht nur denjenigen Golansiedlern den Weggang erschweren, die bereit sind, im Gegenzug für den Frieden ihr Zuhause freiwillig zu verlassen, sondern sie wird zudem die Stimmung in der israelischen Bevölkerung gegen eine Einigung mit territorialem Kompromiss lenken. Die gegen einen Abzug eingestellten Siedler setzen ihre Hoffnung auf das Referendum, das nach einer Einigung abgehalten werden soll. Gestern Abend organisierte der „Rat der Golansiedler“ eine der bislang größten Demonstrationen gegen den Abzug.
Die syrische Bedingung, die israelischen Dörfer zu zerstören, signalisiert, dass die syrische Seite an einer Normalisierung der Beziehungen kein Interesse hat. In den Arbeitsgruppen Normalisierung sowie der Wasserverteilung scheinen nach wie vor die größten Meinungsverschiedenheiten zu bestehen. Nach einem Abzug von den Golanhöhen würden sich die drei Jordanzuflüsse auf syrischem Gebiet befinden. Israel beharrt unverändert auf Garantien, dass der Wasserzufluss auch künftig ungehindert bleibt. Barak und Schara wollen, israelischen Informationen zufolge, „in ein paar Wochen“ an bislang ungeklärtem Ort erneut zusammenkommen.
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