: Benetton-Kampagne provoziert wieder mit Fotos
Der Textilkonzern startet weltweit eine Werbekampagne mit Bildern von Todeskandidaten in den USA. Amnesty international fordert politische Unterstützung
Berlin (taz) – Benetton hat es wieder geschafft. Mit der neuen Werbekampagne, die gestern imUS-Szeneblatt talk gestartet wurde, wird dem italienischen Bekleidungshersteller erneut große Aufmerksamkeit zuteil. Denn Benetton bleibt seiner Strategie treu: Provakation über die branchenüblichen Grenzen hinweg. Nach ölverschmierten Enten und HIV-positiven Menschen hat der Konzern diesmal amerikanische Todeskandidaten für seine Werbung auserkoren.
Zum neuen Millennium möchte Benetton die Gegenwart von Menschen zeigen, die keine Zukunft mehr haben. Als Mörder wurden sie zum Tode verurteilt und sitzen seit Jahren im Todestrakt amerikanischer Gefängnisse, um auf die finale Spritze zu warten. Es sind, so heißt es auf der Benetton-Homepage, keine virtuellen Monster, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Sie gehören zur Realität im Umgang mit Gewaltverbrechen. „Eben diese Realitäten möchten wir abbilden“, erklärt Paola Gräfin Balbo di Vinadio, Pressesprecherin von Benetton Deutschland.
Benetton wird zunächst in Großaufnahme die Gesichter dreier Todeskandidaten zeigen, auf denen der Satz „Sentenced to death“ (zum Tode verurteilt) zu sehen ist. Daneben wird das Logo der Firma abgedruckt sowie weitere Daten zu den Verurteilten wie Geburts- und Verurteilungsdatum, die Art des Verbrechens sowie die Hinrichtungsmethode hervorgeht. Zusätzlich zu der Anzeigenserie, die im Februar auch in großen deutschen Tageszeitungen und Zeitschriften geschaltet werden soll, veröffentlicht talk ausführliche Interviews mit den Todeskandidaten.
Der Textilkonzern sieht in der Kampagne eine Fortführung seiner bisherigen Werbestrategie, die wiederholt aktuelle und sozialpolitische Themen aufgegriffen hat. „Unsere Werbung ist keine klassische Produktpräsentation. Vielmehr wollen wir Werbung als Kommunikationsmittel einsetzen, das umstrittene Themen aufgreift und für diese eine Öffentlichkeit schafft“, so Balbo di Vinadio. Kritiker werfen Benetton vor, Mitleid beim Verbraucher zu wecken und kommerziell auszunutzen.
Bereits 1995 hatte der Bundesgerichtshof eine Benetton-Kampagne als wettbewerbswidrig eingestuft. Schwimmende Enten kämpften sich seinerzeit durch einen ölverseuchtes Gewässer. Wo ist der Zusammenhang zwischen einer Umweltkatastrophe und grünen Pullovern der Marke Benetton, fragten die zuständigen Richter und stoppten die Kampagne. In Japan dagegen gewann das umstrittene Motiv den Preis für die beste Werbung. Als verabscheuungswürdig interpretierte das Gericht auch das Abbilden von menschlichen Körperteilen, dem der Stempel „H.I.V.-POSITIVE“, aufgedrückt war. Es missachte nach Ansehen der Richter die Würde von HIV-Infizierten und grenze sie aus. Firmenchef Luciano Benetton erklärte indessen, dass sein Unternehmen auch weiterhin zu großen Themen Stellung nehmen wird.
Warum nun die Todesstrafe? „Wir wollen Menschen zeigen, die sonst vergessen werden. Dasschafft Bewegung und initiiert sinnvolle Aktionen.“ Balbo di Vinadio verweist auf eine Behindertenkampagne, auf die sich zahlreiche Leute bei Benetton gemeldet hätten, um ihre Hilfe anzubieten. In allen Fällen konnte der Kontakt zu den entsprechenden Hilfsorganisation erfolgreich hergestellt werden.
Genau dieses ist nach Ansicht von amnesty international (ai) auch bei der aktuellen Kampagne nötig. „Es reicht nicht, mit großen Worten zu werben“, sagt Steffen Beitz von ai Deutschland, „Benetton muss seinen Einfluss auch auf politischer Ebene fortführen.“ Leider habe Benetton für seine Kampagne keinen Kontakt mit amnesty Deutschland aufgenommen, von einer Kontaktaufnahme auf internationaler Ebene weiß er nichts.
Als Beispiel für eine politische Aktion nannte Beitz die Unterstützung des Hinrichtungsmoratorium, das bereits mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hat und einen weltweiten Stopp von Hinrichtungen fordert.
Christian Krämer
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