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Arbeitgeber blockieren die Grenzen

Mit gewerkschaftlichen Methoden kämpfen Frankreichs Fuhrunternehmer gegen die Einführung der 35-Stunden-Woche per Regierungsdekret ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Nichts ging mehr an Frankreichs Grenzen zu Lande und zu Wasser, nachdem sich in der Nacht zu gestern ein paar hundert Laster quer gestellt hatten, um die Einreise ins Land zu blockieren. Mit der bei den Gewerkschaften abgekupferten Kampfmethode protestierten dieses Mal die Fuhrunternehmer. Anlass für die zunächst auf 24 Stunden angesetzte Aktion: Der seit einem Jahr um 30 Prozent angestiegene Dieselpreis und die 35-Stunden-Woche, die nach einem Regierungsdekret von letzter Woche nun auch auf die Transportbranche ausgedehnt werden soll.

„Wenn wir als einzige in Europa die 35-Stunden-Woche einführen, werden unsere Kunden komplett auf die ausländische Konkurrenz ausweichen“, schimpfte gestern ein Fuhrunternehmer an der belgischen Grenze. „Ursprünglich sollte in Europa eine Harmonisierung stattfinden“, wütete einer seiner Kollegen, „aber was die französische Regierung jetzt mit ihrem Alleingang macht, ist das Ausschalten unserer Branche.“

Seit dem Freitag, als die Regierung ihr Dekret zur Einführung der 35-Stunden-Woche bei Fuhrunternehmen vorlegte, steht die Stimmung bei den französischen Fuhrunternehmern, die 400.000 Menschen beschäftigen, auf Sturm. Die Fuhrunternehmer lehnten jede Verhandlung mit der Regierung ab und drohten bereits eine Verlängerung ihrer Blockaden an.

Dabei ist das Dekret alles andere als ein Affront gegen die Branche. Statt einer strengen Verpflichtung auf die 35-Stunden-Woche sieht es extrem flexible Regelungen vor. Danach kann die Wochenarbeitszeit „auf dem Bock“ in Einzelfällen bis zu 56 Stunden betragen und im monatlichen Durchschnitt bei 50 Wochenstunden oder 220 Monatsstunden liegen. Was die Fuhrunternehmer aufbringt, ist, dass sie ihren Beschäftigten künftig 15 bis 20 zusätzliche Urlaubstage gewähren sollen. Der zweite Streitpunkt ist der kontinuierliche Anstieg des Dieselpreises. Um die für heute angekündigte nächste Erhöhung verkraften zu können, verlangen die französischen Fuhrunternehmer eine Subvention von ihrer Regierung.

Roger Poletti, Sprecher der Lkw-Fahrer-Gewerkschaft Force Ouvrière (FO), sagte, die 35-Stunden-Woche „ist für die Patrons lediglich ein Vorwand. Sie haben sich noch nie an festgelegte Arbeitszeiten gehalten. In Wahrheit wollen sie mehr Subventionen.“

Aus ganz anderen Gründen sind auch die Gewerkschaften der Lkw-Fahrer mit dem Regierungsdekret zur 35-Stunden-Woche unzufrieden. Sie verlangen, dass bereits ab der 36. Stunde Überstunden bezahlt werden müssen und nicht erst – wie vorgesehen – ab der 41. Wochenstunde.

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