: „Keine neuen Stellen“
Metall-Arbeitgeberpräsident Werner Stumpfe sieht die Rente mit 60 in weite Ferne gerückt
taz: Sie machen der IG Metall keine Hoffnungen auf die Rente mit 60. Die Gewerkschaft mag aber nicht davon lassen. Wie wollen Sie Klaus Zwickel von Ihrer Sicht der Dinge überzeugen?
Werner Stumpfe: Die Chancen für die Rente mit 60 sind seit Sonntag gesunken. Der Bundeskanzler hat ganz deutlich gesagt, dass erst ein Tarifvertrag vorliegen muss, bevor die Regierung das Rentenzugangsalter herabsetzt. Damit steht aber für die IG Metall die Frage der Kampagnenfähigkeit und der Streikfähigkeit in einem sehr viel ungünstigeren Licht, als wenn das Gesetz vorher geändert worden wäre.
Fürchten Sie das Thema Rente bei den Tarifverhandlungen?
Nein. Wir haben uns im Bündnis dazu verpflichtet, den Verteilungsspielraum künftig an der Produktivitätsentwicklung zu orientieren. Auch die IG Metall hat sich auf diesen eingeengten Rahmen eingelassen. Das bringt sie in die Situation zu überlegen: Wie viel davon wollen wir für eine relativ teure Rente mit 60 verwenden? Wenn die IG Metall sie will, bleibt ihr sehr wenig übrig für eine Lohnsteigerung.
Wie könnten die neuen Wege für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben aussehen?
Ich kann mir vorstellen, dass wir tariflich vereinbaren, dass jede Partei 0,25 oder 0,4 Prozent in einen betrieblichen Sonderfonds einzahlt. Ich will keine Branchenfonds. Der Betriebsfonds soll der Alterssicherung dienen. Darüber, wie diese aussehen soll, entscheiden Arbeitgeber und Betriebsrat alleine. Sie können das Geld dafür ausgeben, die Rentenabschläge für einen vorzeitigen Ruhestand auszugleichen, sie können aber auch einen Teil des Geldes für eine kapitalgedeckte Zusatzrente der Beschäftigten verwenden.
In einigen Firmen gibt es keinen Betriebsrat. Wer soll dann mit den Arbeitgebern verhandeln?
Wenn keine Betriebsvereinbarungen möglich sind, soll der Tarifvertrag festlegen, dass das Geld zur Altersvorsorge verwendet werden soll.
Wer garantiert, dass der Einzelne mit 60 aufhören kann?
Niemand. Diesen Rechtsanspruch kann man nicht in den Tarifvertrag schreiben. Es kann nicht sein, dass ein Arbeitnehmer mit 60 zum Chef gehen kann und sagt: Ich habe die Nase voll, ich will auf Rente.
Heute kann auch nur der in denVorruhestand gehen, dessen Chef es erlaubt. Also bleibt alles beim Alten?
Wenn wir den Rechtsanspruch auf vorzeitige Pensionierung schüfen, würden wir die Arbeitgeber einengen.
Wie vielen jungen Leute wollen Sie mit der Altersteilzeit einen Job geben?
Wir schaffen keine neue Stellen. Theoretisch könnten wir im allergünstigsten Fall für jeden, der geht, einen neuen Mann einstellen.
Warum reden Sie noch von einem Bündnis für mehr Arbeit?
Weil ich hoffe, dass wir nur dann neue Arbeitsplätze schaffen, wenn wir die Lohnerhöhung nur an die Produktivität koppeln. Um dies zu bekommen, mussten wir am Sonntag gewissermaßen vor den Gewerkschaften und insbesondere vor der IG Metall an einer Stelle nachgeben, die denen ganz besonders am Herzen lag – beim vorzeitigen Ruhestand.
Interview: Annette Rogalla
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