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Son und Sex

■ Kubanischer Generationenvergleich: Die Sonera Caridad Hierrezuelo und das Show-Orchester Las Chicas Del Sol

„La música cubana no tiene rival“ – die kubanische Musik ist konkurrenzlos – so lautet eine Zeile aus „Guarapo, Pimienta y Sal“, dem ersten Stück auf Caridad Hierrezuelos aktuellem Album. Sie sang das Thema schon vor vier Jahrzehnten, während der goldenen Ära der kubanischen Conjuntos, in Country-Kreisen würde man sagen: Es ist ihr signature song. Und ein bisschen sind sie ja auch so wie alten Country-Sänger, die agilen Seventysomethings, die uns seit gut zwei Jahren so erfolgreich als Legenden der kubanischen Musik feilgeboten werden. Sie singen die Songs aus den guten alten Tagen, und müssen sich nicht konservativ schimpfen lassen, denn ihre Musik misst sich nicht an Moden. Jedenfalls nicht in Europa, wo ein Millionenpublikum ihnen das mit den guten alten Tagen gerührt abnimmt, und trotzdem diesen Sound ganz neu für sich entdecken darf.

Ein Glücksfall für vergessene Diven wie Caridad Hierrezuelo, der ihr lokalen Ruhm im kubanischen Osten in den letzten vier Jahrzehnten sicherlich ein ähnlich bescheidenes Dasein beschert hat, wie es Ferrer, González & Co. beschieden war, bevor sie auf Ry Cooder trafen. Damit aber auch Schluss in Sachen Gemeinsamkeit mit den Buena Vista-Stars. Denn – und das ist sehr erfrischend – die 75-jährige Sonera interpretiert auf ihrem Comeback-Album den Son im Stil der großen Orquestas der Fünfziger und Sechziger. Also his-torisch von einer Epoche aus, in der die kleine, ländliche Besetzung mit Tres, Maracas und Bongo, wie sie etwa Caridads Bruder Reinaldo Hierrezuelo mit seiner Vieja Trova Santiaguera pflegt, längst durch jede Menge Blech, Congas, Timbales und Piano auf die Plätze verwiesen worden ist.

Der Staff der Fabrik möge sich hüten, den Saal zu bestuhlen, denn was die „Guarachera del Oriente“ am Sonntag auf die Bretter bringen wird, ist rasanter Bigband-Stoff für Tänzer und sollte nicht schunkelnden Oberstudienräten vorbehalten bleiben. Hätte Señora Hierrezuelo es so gemacht, wie ihre Altersgenossin und Landsfrau Celia Cruz, die Ende der Fünfziger ihre Karriere von New York aus weiter verfolgte, sie wäre heute Salsa-Superstar.

So aber ist der Sammelbegriff „Salsa“ für sie, wie für viele kubanische Musiker ihrer Generation, nicht wohl gelitten, denn durch die US-Blockade blieben sie von dem Siegeszug ihrer Musik auf dem US- und lateinamerikanischen Kontinent komplett ausgeschlossen. Da nimmt es nicht Wunder, dass es den neuen alten Helden rund um den Buena Vista-Boom gut gefällt, wenn ihr Stoff in der alten und neuen Welt heute vom Zigarrenbanderolen-Layout bis zur Landesflagge mit allen zur Verfügung stehenden nationalen Insignien vermarktet wird. Späte Genugtuung: Das Original kommt aus Kuba, und endlich ist die Welt unser Zeuge.

Wer sich davon überzeugen möchte, dass Kuba eine Nation und keine Musikrichtung ist, der sollte am Dienstag gleich nochmal in die Fabrik gehen. Dann nämlich tritt das zwölfköpfige Frauenensemble Las Chicas del Sol an, eine jener sexy hexy Show-Orchester, das in knappen Fummeln dafür Sorge trägt, dass das immergrüne Bild von Sonne, Sandstrand und heißen Rhythmen nicht welk wird. „Guantanamera“ in Latin-Pop, „Night Fever“ von den Bee Gees im Timba-Disco-Style – auch in Sachen Kitsch geben sich Kubaner alle Mühe, konkurrenzlos zu sein.

Christoph Twickel

Caridad Hierrezuelo: So, 16. Januar Las Chicas Del Sol: Di, 18. Januar, jeweils 21 Uhr, Fabrik

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