: InFußballland
Christoph Biermann
Frank heißt Niedlich, was ihm etwas Unrecht tut, denn mit seinen fast zwei Metern Länge und dem wild abstehenden blondierten Punkschopf, der an Billy Idol erinnert – was im weiteren Verlauf dieser Geschichte noch eine Rolle spielen wird –, mag er vielleicht wie ein sanfter Riese wirken, ist aber doch nicht eigentlich niedlich.
■ Wie ein Düsseldorfer Jung zum Helden der irischen Supporter aufstieg
Frank arbeitet bei einer Plattenfirma und führt ein interessant kosmopolitisches Leben, seine Wohnung ist in London, er pendelt aber wie selbstverständlich zwischen den Metropolen der Welt. Weil er überdies sehr charmant ist, umgeben ihn stets nur die schönsten Frauen, selbst eine Moderatorin von MTV hat ihm zwischendurch ihr Herz geschenkt.
Die Annahme, dass Frank eine überdrehte Popnudel sein könnte, hat aber weniger als nichts mit der Wahrheit zu tun. In Wirklichkeit ist er doch immer noch ein Düsseldorfer Jung und als solcher seiner Fortuna in der Fremde treu geblieben, was zugegeben vielleicht auch etwas leichter ist, als dies daheim zu praktizieren.
Zur Stärkung und Festigung seiner Fußballleidenschaft hat Frank einen englischen Chef, der des Nachts in Kneipen nicht nur Wagner-Arien zu singen weiß, sondern auch eine Jahreskarte für die Spiele von Celtic Glasgow besitzt und sooft es geht der irischen Nationalmannschaft nachreist, weil er sich deren Sache verpflichtet fühlt. Und dazu hat er Frank oft eingeladen, so wie vor gut drei Jahren nach Vaduz.
Von London nach München waren sie damals mit zwei irischen Freunden geflogen und dann mit dem Mietwagen weiter nach Liechtenstein gereist, wo ein ordentliches Durcheinander herrschte, weil mehrere tausend Iren ihrer Mannschaft zum Spiel in der EM-Qualifikation gefolgt waren. So kamen sie etwas zu spät ins Nationalstadion des Fürstentums, das eher die Größe einer Bezirkssportanlage hat. Zudem war die Sache auf dem Rasen bereits nach einer guten halben Stunde entschieden.
Das ist natürlich gut, denn wer will schon spannende Spiele gegen Liechtenstein, aber die in ihrer Mehrzahl ordentlich betrunkenen irischen Fans begannen sich etwas zu langweilen. Nicht ganz überraschend fiel ihnen der riesengroße Typ mit der blondierten Punkfrisur im rot-weißen Trikot von Fortuna Düsseldorf auf, und schon bald sangen die ersten und dann sehr viele Fans sehr laut: „There’s only one Billy Idol.“
Und bald schon sprach sich herum, dass der Typ aus einem Ort namens Düsseldorf in Deutschland kommen würde, und schon waren allerlei lustige Sprechchöre zu hören, in denen das komische Wort „Düsseldorf“ vorkam.
Zu diesem Zeitpunkt saß ein Freund von Frank in einem Irish Pub in New York und schaute sich zur Frühstückszeit das Spiel über Satellit im Fernsehen an. Weshalb er ihm später erzählen konnte, dass Frank es an jenem Tag zu weltweitem Ruhm brachte. Irgendwann hatte ihn nämlich die Kamera eingefangen und der Kommentator begeistert gerufen: „Das muss er sein. Sie singen über ihn.“ An jenem Tag in Vaduz stieg Frank also zum Helden der irischen Supporter auf, was ihm auf weiteren Reisen mit dem irischen Team und zu den Spielen von Celtic viele Freibiere einbrachte. Wenn Frank wieder einmal im rot-weißen Trikot seiner Fortuna und den blonden Haaren auftauchte, brach stets irgendeine Gruppe von Fans vor ausgelassener Wiedererkennungsfreude ins „There’s only Billy Idol“ aus.
Doch aller Ruhm ist flüchtig, zumal Franks Fußballreisen seltener wurden, weil in der bunten Welt des Pop schwer geschuftet werden muss und Frank eben sehr charmant ist. So ist er im letzten Jahr nur noch zu einem großen Spiel angereist, nach Barcelona.
Aber auch dieser Trip war etwas durcheinander, und Frank kam erst im Stadion Nou Camp an, als Mario Basler das Führungstor der Bayern aus München bereits erzielt hatte. Aus der Kurve der Manchester-Fans schaute er sich den Rest des Finalspiels der Champions League an und entschied sich kurz vor Schluss, Bier zu holen, um dem Andrang nach Abpfiff zu entgehen. Als Frank zurückkam, hatte er ein Bier in der Hand und beim Spiel des Jahres alle drei Tore verpasst. Seitdem ist er nicht mehr ins Stadion gegangen.
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