: Essen und töten: Angolas Armee im Auslandseinsatz
Schwere Vorwürfe aus Namibia gegen Angolas frisch entsandte Regierungstruppen
Johannesburg (taz) – Seit Namibias Regierung der angolanischen Regierungsarmee erlaubt, in ihrem Krieg gegen die Unita-Rebellen auch von namibischem Territorium aus zu operieren, hat sich der angolanische Bürgerkrieg endgültig über die Grenze hinweg ausgeweitet – mit grausamen Folgen für die Zivilbevölkerung. Morde, Entführungen und weitere Plünderungen von Dörfern sind nicht mehr nur in Angola Alltag, sondern auch im Norden Namibias, wo es seit Anfang Januar zu massiven Kampfhandlungen kommt.
Kurz nach seiner Wiederwahl im Dezember hatte Namibias Präsident Sam Nujoma Angola erlaubt, über 1 000 Soldaten in die Grenzregion zwischen Namibia, Angola und Sambia zu schicken. Sie sollen von dort die Vormacht von Unita-Rebellenchef Jonas Savimbi im Südosten Angolas um die Stadt Jamba herum brechen. Trotz anders lautender Verlautbarungen aus Luanda ist dies bislang allerdings noch nicht gelungen. Namibias Präsident Sam Nujoma aber hat seine Erlaubnis zur Truppenentsendung bisher nicht nur nicht zurückgezogen, sondern er unterstützt die angolanische Armee tatkräftig. Ihn verbindet mit seinem angolanischen Amtskollegen Eduardo Dos Santos weit mehr als eine langjährige Freundschaft. Beide Armeen kämpfen gemeinsam mit Truppen aus Simbabwe seit 1998 in der Demokratischen Republik Kongo. Und Nujoma erhofft sich auch einen Erfolg gegen eine Gruppe von Aufständischen im nordostnamibischen Caprivi-Streifen, die wiederum von der Unita unterstützt werden.
Schon kurz nach dem angolanischen Einmarsch zeigte das südafrikanische Fernsehen Bilder von plündernden und mordenden angolanischen Soldaten in Namibia. In der ersten Januarwoche wurde eine französische Urlauberfamilie überfallen; drei Kinder wurden brutal ermordet, die beiden Eltern überlebten schwer verletzt. Am gleichen Tag wurden zwei Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in ihrem Auto angeschossen.
Die Hintergründe der Anschläge sind bis heute nicht geklärt, obwohl die namibische Regierung prompt die Unita dafür verantwortlich machte. Die Unita schob ihrerseits die Schuld marodierenden Regierungssoldaten zu. Ganz ausgeschlossen ist das nicht, denn viele der jungen angolanischen Rekruten erhalten seit Monaten keinen Sold, und ähnliche Übergriffe erschweren die Arbeit der Hilfsorganisationen innerhalb Angolas.
Auch die namibischen Sicherheitskräfte zeigen sich nicht zimperlich. Sie eröffneten Anfang dieser Woche beispielsweise das Feuer auf eine Gruppe von angolanischen Flüchtlingen und erschossen dabei ein sechsjähriges Kind.
Nach Angaben der namibischen Menschenrechtsorganisation NSHR (Namibian Society for Human Rights) werden außerdem systematisch junge Angolaner und Namibier für Angolas Armee zwangsrekrutiert. Die NSHR wirft den Angolanern auch vor, gezielt Kindersoldaten einzusetzen. Aufnahmen des namibischen Fernsehens bestätigen diese Vorwürfe. Anfang Januar wurde dort ein minderjähriger angolanischer Rekrut im Caprivi-Streifen gezeigt, der sagte: „Wir sind hier, um zu essen, zu töten und zu morden.“
Auf Regierungsebene indessen beteuert man sich weiterhin Waffentreue. „Wir werden Angola jegliche Hilfe geben, was immer sie wollen“, erklärte der Generalstabschef der namibischen Armee, Martin Shalli. „Angola ist unser Verbündeter, unser Freund. Und wir haben dabei auch eigene nationale Interessen.“ In den Nachbarländern allerdings wächst die Besorgnis. Selbst in Südafrikas Regierung, die bisher zum Krieg in Angola geradezu auffällig schweigt, häufen sich Stimmen, die eine neue Verhandlungslösung fordern. „Es gibt keine militärische Lösung in diesem Krieg“, so ein hohes Regierungsmitglied gegenüber der taz. „Beide Seiten müssen sich endlich hinsetzen und nach einer politischen Lösung suchen.“ Kordula Doerfler
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