: Den Rundfunk ganz neu erfinden
Die Aussichten, in den Niederlanden einen politisch korrekten öffentlich-rechtlichen Sender ins Leben zu rufen, sind bescheiden
Amsterdam (taz) – In den Niederlanden ist ein neuer Rundfunksender geplant, der ausschließlich Programme über Themen wie Menschenrechte, Dritte Welt und Umweltschutz ausstrahlen will.
Seine Initiatoren sind der TV-Journalist Aad van den Heuvel und Organisationsberater Walter Etty, der bereits den Amsterdamer Lokalsender AT5 mit gründet hatte.
Ab September soll der politisch korrekte öffentlich-rechtliche Sender mit dem einfallsreichen Namen Der Neue Rundfunk (De Nieuwe Omroep – DNO) auf Sendung gehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die beiden Initiatoren in den nächsten drei Monaten 50.000 zahlende Mitglieder finden. Denn in den Niederlanden sind die öffentlich-rechtlichen Sender Vereine, Lizenz und zugewiesene Sendezeit richten sich nach Anzahl der zahlenden Mitglieder. Bei mindestens 50.000 Mitgliedern hätte DNO Recht auf 100 Stunden TV-Sendezeit und 450 Radiostunden pro Jahr.
Die Idee zu dem Sender wurde aus dem Frust über die bisherigen Rundfunkprogramme geboren. Aad van den Heuvel, der für den katholischen Sender KRO Programme zu gesellschaftspolitischen Themen macht und präsentiert, ärgerte sich, dass sein Programm „BV De Wereld“ auf den unattraktiven Sendeplatz am Freitag um 14.30 Uhr gesetzt wurde. Auch hätten seine Themen- und Programmvorschläge kaum Chancen im heutigen öffentlich-rechtlichen System. „Bei jedem Vorschlag stieß ich auf ein dicht gemauertes Programmpaket“, klagt van den Heuvel in der Tageszeitung Trouw.
In ersten Reaktionen äußerten sich Organisationen wie Greenpeace, das Rote Kreuz, Naturschutzbund und die Nationale Postleitzahllotterie zwar vorsichtig positiv, allerdings gibt es kaum Anzeichen, dass sie den neuen Sender auch wirklich aktiv unterstützen werden. „Wir beobachten bei den Zuschauern jetzt schon Ermüdungserscheinungen,wenn es um entwicklungspolitische Themen geht“, erklärte beispielsweise die Entwicklungshilfeorganisation Novib. Von daher bleibt fraglich, ob die Niederländer den politisch korrekten Sender überhaupt einschalten würden.
Auch Sprecher der bestehenden öffentlich-rechtlichen Sender bezweifeln, dass DNO eine Zukunft hat. „Mit gesellschaftlicher Betroffenheit füllt man kein Programm“, sagt Roek Lips, Fernsehdirektor des protestantischen TV-Kanals NCRV. Anstatt einen neuen Sender zu gründen, sollten die Initiatoren lieber dafür sorgen, dass ihre Themen in den bestehenden Programmen Platz finden.
Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der öffentlich-rechtlichen Sender NOS (Nederlandse Omroep Stichting), Gerrit Jan Wolffensperger, äußerte sich dagegen positiv: „Es ist ein Beweis, dass sich das öffentlich-rechtliche System ständig erneuert.“
Hintergrund der Initiative ist die bevorstehende Reform des öffentlich-rechtlichen Systems, bei der unter anderem die drei TV-Kanäle ein neues Programmschema bekommen sollen. Insider munkeln sowieso, dass die beiden DNO-Initiatoren in erster Linie Druck auf die bestehenden öffentlich-rechtlichen Sender ausüben wollen, um für ihre Themen bessere Sendeplätze zu bekommen.Annette Birschel
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