■ Debatte: Jugendliche Egotaktik
Wählen mit 16? Bürgerschafts-Ausschuss diskutierte mit SchülerInnen
Ungefähr 60 – extra eingeladene – SchülerInnen aus dem Schulzentrum Walliser Straße und der Schule Obervieland strömten gestern neben den Abgeordneten in die Bremer Bürgerschaft. Der Verfassungsausschuss tagte mal wieder zum Thema: Wählen ab 16 Jahren? Dazu hatte man auch den Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann (55) aus Bielefeld als Experten geladen.
Es sei Aufgabe der PolitikerInnen „die politische Kraft der Jugendlichen zu stärken“ forderte der Professor – was für das Land Bremen bedeuten würde, dass es auf einen Schlag 11.000 Aktivbürger mehr gäbe. Trotzdem ist Klaus Hurrelmann auf jeden Fall für die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Auf Grund seiner Erkenntnisse setze die Pubertät bei Jugendlichen durchschnittlich um zwei Jahre früher ein, als das noch vor Jahren der Fall war. Daraus folge natürlich auch eine frühere Selbstständigkeit und „Reife der Urteilsfähigkeit“. Fazit: Leute ab 16 sind unabhängig genug, das Kreuz zu machen. Voraussetzung: Sie müssten in „politische Entscheidungen eingebettet werden“ – und nicht davon ausgeschlossen bleiben.
Nach Ansicht des Bielefelders läge die Wahlbeteiligung der 16 bis 17-Jährigen sogar um bis zu fünf Prozentpunkten über dem Niveau der älteren Mitbürger. Das jedenfalls ergaben Forschung und Praxisauswertung. Danach zeigen sich Jugendliche auch sehr viel offener – dabei allerdings auch kritischer, bisweilen auch misstrauisch. Grundsätzlich bevorzugten sie eher Sachthemen. „Jugendliche sind Egotaktiker, sie suchen immer nach ihrem Vorteil“, so Hurrelmann. Mädchen würden sich dabei emotional und Jungen sachbezogen verhalten.
Diese Aspekte manifestierten sich auch in der anschließenden Diskussionsrunde mit den anwesenden SchülerInnen: Die meisten sahen sich durchaus in der Lage, an der Wahl zur Bremer Bürgerschaft teilzunehmen. Das äußerten sie selbstbewußt – obwohl die Jugendlichen sich von den PolitikerInnen zumeist herablassend behandelt fühlten. Mit „die belächeln uns eh' nur“ und „nicht mal Politik-Unterricht bekommen wir“, äußerten sie ihre Unzufriedenheit.
Die Abgeordneten konnten nicht alle Einwände ausräumen – weder die Vertreterin der CDU-Fraktion, Cathrin Hanken (26), die sich eh' sehr skeptisch gegenüber dem herabgesetzten Wahlalter gab, noch der Grüne Hermann Kuhn (55) oder Frank Pierzok (36). Der jugendpolitische Sprecher der SPD forderte, „jungen Leuten mehr Macht zu geben“. Hermann Kuhn (Grüne) bemerkte treffend, dass Bremen dafür sorgen müsste, allen Politik-Betroffenen die Möglichkeit zu geben mitzuentscheiden. Der Juso-Vorsitzender Thomas Ehmke (22) dagegen warnte vor einem „Wackelkurs“. Er will die Wahl ab 16. SchülerInnen werden das kaum noch selbst erleben. Eine Entscheidung über das Konfliktthema fällt frühestens zu Ende der Legislaturperiode. Bauke Drees (17),
Gymnasium Lilienthal
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