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„Ich habe wache Augen“

■ Als Jugendsenator ist Klaus Böger auch für die Drogenpolitik zuständig. Im taz-Interview verrät der SPD-Politiker, was er gegen den Anstieg der Zahl Drogentoter in der Hauptstadt zu tun gedenkt

taz: Herr Böger, mit Ihnen gibt es einen neuen Kopf an der Spitze der Berliner Drogenpolitik, aber die Fachleute wie die Landesdrogenbeauftragte, die hier mit am Tisch sitzt, bleiben dieselben. Wird sich trotzdem etwas ändern?

Klaus Böger: Unsere Drogenpolitik ist hervorragend. Es gibt keinen Grund für prinzipielle Änderungen. Es bleibt bei dem dauerhaften Kampf gegen Drogenmissbrauch in unserer Gesellschaft.

Interessiert Sie Drogenpolitik?

Ja, aber ich habe mich in den bisherigen vier Wochen als Senator mit dem Bereich Drogen noch nicht näher beschäftigen können.

Haben Sie sich schon in der Szene umgeschaut und gesehen, wie elend es vielen Junkies geht?

Ich bin kein Experte, aber ich gehe mit wachen Augen durch unsere Stadt und weiß, welches Elend Drogenhandel und Beschaffungsprostitution für die direkt Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt bedeuten.

Haben Sie über Freunde, Bekannte oder auch Gespräche mit Ihren Söhnen Bezug zu Drogen und den Problemen, die damit einhergehen können?

Es ist für alle Eltern wohl die größte Sorge, dass ihre Kinder mit Drogen in Kontakt kommen. Ich glaube, dass die größten Einflussfaktoren die Freunde sind. Wir haben das große Glück, dass unsere Kinder einen guten Freundeskreis haben. Aber ich kenne im weiteren Bekanntenkreis das Drama, wie schwierig und furchtbar es für Eltern ist, wenn die Kinder mit harten Drogen in Kontakt kommen und süchtig werden.

Berlin hat ein großes Drogenhilfesystem, das gute Arbeit leistet. Doch die Anzahl der Abhängigen liegt konstant bei etwa 8.000, die Zahl der Drogentoten ist gerade wieder leicht gestiegen. Es geht also nicht voran, und vor Neuerungen in der Drogenpolitik schreckt man in Berlin zurück. Liegt das nur an der CDU?

Die CDU ist hier immer in der Gefahr, starke Sprüche zu klopfen und zu verkennen, wie schwierig dieses Politikfeld ist. Aber das ist der Preis, den man bezahlen muss für eine Koalition mit der CDU.

Bislang hat sich aber auch die SPD in der Drogenpolitik nicht für neue Wege stark gemacht. Sind mit Ihrer Partei solche Neuerungen überhaupt möglich?

Davon bin ich überzeugt. Viele Fragen sind aber auch in der SPD nicht unumstritten.

Im Koalitionsvertrag sind die aktuellen drogenpolitischen Fragen nicht geregelt. Die kurze Passage zur Originalstoffvergabe zum Beispiel ist sehr nebulös. Berlin beteiligt sich bislang nicht an dem bundesweiten Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige. Sind Sie für eine solche Beteiligung?

Ich strebe das an. Wir prüfen aber noch, ob die beiden Bedingungen, unter denen das Parlament den Senat damit beauftragt hat, sich an dem Modellprojekt zu beteiligen, erfüllt sind. Diese beziehen sich auf die wissenschaftliche Begleitforschung, an die wir hohe Anforderungen stellen, und die Finanzierung, die zusätzlich zur jetzigen Drogenhilfe bereitgestellt werden muss. Das sind nach Schätzungen aus meiner Behörde rund 3,3 Millionen jährlich. Das ist zwar nicht wenig, aber eine Größe, die man aufbringen sollte, wenn es hilft.

Berlin muss sich schnell entscheiden, mit einiger Verspätung soll das Modellprojekt im Herbst beginnen. Gibt es bereits Überlegungen, wie die Umsetzung hier aussehen könnte?

Sicher gibt es Vorstellungen dazu, weil ja auch alle Praktiker und Wohlfahrtsverbände diesen Modellversuch für richtig halten. Aber bisher habe ich mich damit noch nicht im Detail beschäftigen können.

Die CDU, insbesondere Innensenator Werthebach, sperrt sich gegen eine Beteiligung Berlins. Ihre Vorgängerin hat sich nicht gegen ihn durchgesetzt. Was werden Sie tun?

Wir werden uns für das einsetzen, was nach der Koalitionsverhandlung möglich ist. Das ist bestimmt kein Punkt, an dem man eine Koalition scheitern lässt. Es ist auch nicht das Ende der Drogenhilfe, wenn sich Berlin nicht daran beteiligt.

Der Bundesrat entscheidet im Februar über die rechtliche Absicherung von so genannten Druckräumen, in denen Abhängige unter hygienischen Bedingungen Drogen nehmen können. Andere Städte wie Frankfurt und Hamburg haben bereits solche Räume. Wenn die rechtliche Frage geklärt ist, wird es in Berlin Druckräume geben?

Ich persönlich bin nicht davon überzeugt, dass Druckräume die Probleme der Abhängigen verringern und von der Bevölkerung akzeptiert werden. Die Koalitionsvereinbarung sieht das auch nicht vor, aber wir werden die Entwicklungen in den anderen Städten beobachten und auswerten.

Überall wird vom Sparen geredet. Muss der Drogenhilfeetat in diesem Jahr mit Einsparungen rechnen?

Es gibt überall Einsparungen, natürlich auch in meinem Haus. Ich glaube, da kann man nichts ausnehmen.

Interview: Sabine am Orde

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