: Eine mörderische Karriere
■ Krimineller, Milizchef, Abgeordneter: Arkan und seine „Tiger“ haben viele Menschen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo auf dem Gewissen
Sarajevo (taz) – Mit dem Mord an Zeljko Raznjatović, genannt Arkan, ist eine der gefürchtetsten und meist gehassten Figuren des Krieges im ehemaligen Jugoslawien ausgeschaltet worden. Arkan war eine Schlüsselfigur des Krieges und der Verbrechen, die in diesem Krieg geschehen sind. Mit seinen Milizen war er Teil des Systems Milošević. Er kämpfte aber auch auf eigene Rechnung – und dies könnte ihm zum Verhängnis geworden sein.
Zum ersten Mal trat der 1952 als Sohn eines Offiziers der Jugoslawischen Volksarmee in Brezice (Slowenien) geborene Zeljko Raznjatović im Sommer 1989 in das Licht einer größeren Öffentlichkeit. Er saß bei der 600-Jahr-Feier der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) in der ersten Reihe, während die höchsten Repräsentanten des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens mit einem Platz im zweiten Glied Vorlieb nehmen mussten.
Die Frage, wer dieser Mann war, beschäftigte schon damals einige Journalisten. Bei Recherchen in Belgrad stellte sich heraus, dass Zeljko Raznjatović in den Sechzigerjahren wegen Eigentumsdelikten zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Danach verlagerte er seine Aktivitäten ins Ausland. Wegen Bankraubes in Belgien und in Schweden wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, 1979 gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis von Veviers.
1980 wurde er bei einem Überfall auf ein Juweliergeschäft in Frankfurt am Main verwundet. Er flüchtete aus dem Krankenhaus und verschwand. In der Folgezeit war er vermutlich Killer des jugoslawischen Geheimdienstes im Ausland – ähnlich wie übrigens der Kroate und mutmaßliche Kriegsverbrecher Mladen Naletelić, genannt Tuta, der zur Zeit in Zagreb in „Schutzhaft“ sitzt.
1989 trat Arkan in Belgrad offen auf – er besaß eine Kneipe in der Nähe des Fußballstadions von Roter Stern Belgrad und organisierte die Hooligans, die später den Kern seiner Milizen bilden sollten. Damals kamen radikale Exilserben nach Belgrad, um sich den Freischärlern anzuschließen. Arkan ging nach Kroatien, wurde 1990 wegen der Vorbereitung eines Aufstandes in Dvor verhaftet und in Zagreb zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Unter mysteriösen Umständen wieder freigelassen, kehrte er als Kommandeur seiner „Tiger“, wie sich seine Truppe nun nannte, nach Belgrad zurück.
Als der Krieg in Kroatien begann, nahmen seine Tiger an der Belagerung der Stadt Vukovar teil. Arkan war es, der im Dezember 1991 gefangene Zivilisten in Vukovar und Borovo Naselje ermorden ließ. Ab Januar 1992 wurde er zum Kommandeur des Ausbildungslagers für serbische Freiwillige in Erdut bestellt. In Bosnien verbreiteten seine Todesschwadronen noch vor Ausbruch der Kampfhandlungen im März/April 1992 Angst und Schrecken unter der nicht serbischen Bevölkerung.
Unvergessen ist, wie die damalige serbische Vertreterin im bosnischen Staatspräsidium, Biljana Plavsić, Arkan nach dem Mord an Besuchern einer Moschee umarmte und ihn nach Sarajevo einlud. In den folgenden Monaten waren die Tiger beteiligt an Morden und Vergewaltigungen. Und sie waren die ersten, die systematisch die nicht serbische Bevölkerung ausraubten.
Arkan wurde reich. Nun versuchte er, seine Position im Reiche Milošević’ zu sichern. Er gründete die „Partei der Serbischen Einheit“, die unter den Serben des Kosovo populär war. Arkan wurde 1993 Parlamentsabgeordneter. Und er erkämpfte sich eine Spitzenposition im Schwarzhandel. Er kaufte Hotels, beherrschte Spielhöllen, feierte rauschende Parties mit der Halbwelt Belgrads.
1995 kam es jedoch zu Rückschlägen für seine Truppen. Arkans Tiger räumten als erste ihre Positionen in der kroatischen Stadt Benkovac (ein vorgeschobener Posten in der Nähe der Küstenstadt Zadar), als die kroatischen Truppen im August mit ihrer Offensive zur Rückeroberung des Landes begannen. Einen Monat später wurden den Tigern im Kampf um Sanski Most von den vorrückenden bosnischen Truppen herbe Verluste beigebracht. Bevor sie flüchteten, ermordeten sie noch einige Dutzend Zivilisten.
Alles dies war schon 1995 weitgehend bekannt. Wahrscheinlich auch beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Erst 1997 wurde eine geheime Anklage gegen Arkan und Milošević erhoben, und im März 1999, nach dem Eingreifen der Nato im Kosovo, wurden beide offiziell als mutmaßliche Kriegsverbrecher unter Anklage gestellt. Da war es aber für viele Menschen zu spät. Denn Arkans Tiger haben seit 1998 offen im Kosovo „gewirkt“ – wie zuvor in Kroatien und Bosnien.
Ist sein Tod die Folge eines Mafiakrieges? Das ist möglich. Mit der Anklageerhebung wurde immerhin eine Schlinge um Arkans Hals gelegt. Er versuchte sich zu retten und soll vor wenigen Monaten signalisiert haben, unter bestimmten Bedingungen mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenzuarbeiten. Hätte er ausgepackt, wäre wohl Milošević noch weiter unter Druck geraten. Arkans Tod kommt der Belgrader Führung vermutlich nicht ganz ungelegen. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen