: It's a long way from Oberhausen
■ Baustelle Kino: „Szenenwechsel“ versammelt Stimmen des jungen deutschen Films
„Ich glaube nicht, dass wir immer nur krasse, wahrhaftige, authentische Filme machen müssen. Trotzdem interessiert mich im Moment genau das.“ So Das Leben ist eine Baustelle-Regisseur Wolfgang Becker, der 1994 mit Tom Tykwer, Dani Levy und Stefan Arndt die Produktionsfirma X-Filme Crative Pool gründete, um einen deutschsprachigen Film jenseits fernsehtauglicher Wohnküchen-Komödien zu etablieren.
In Szenenwechsel hat Herausgeber und Autor Michael Töteberg diese und zahlreiche andere Stimmen zum jüngeren Kino aus Deutschland kompiliert. Da kann der notorische Wiederholungstäter und Mainstream-Verweser Sönke Wortmann über Mythos und Wirklichkeit in St.Pauli Nacht dozieren, da kann aber auch Feridan Zaimoglu mit „KanakSüperStar“ einen ebenso idiosynkratischen wie aufrichtigen Eintrag zu den deutsch-türkischen Filmen der letzten Zeit liefern. Und in der dominanten post-Lola rennt-Debatte erinnert Michael Farin an den zensurgeplagten No-Budget-Auteur Jörg Buttgereit, während sich Arthur Hofer als Geschäftsführer der Babelberg Independents mehr verlogenen All-Star-Schund wie Nichts als die Wahrheit wünscht.
Subjektive Befindlichkeiten, institutionelle Überlegungen und eigenständige Rezeptionen werden hier kontrastiert, wobei implizit immer die Frage nach dem vermeintlich „Deutschen“ im nationalen Filmschaffen mitschwingt. It s a long way from Oberhausen mag da mancher angesichts der ideologischen Disparitäten raunen, aber hier ist ja schließlich von einem Szenen- und nicht etwa vom Para-digmenwechsel die Rede. Es geht auch nicht um die Entpolitisierung zugunsten diffuser Qualitätsbegriffe, oder um das Heraufbeschwören einer neu-teutonischen Hipness, wie das Beispiel von Hans-Christian Schmid zeigt.
Michael Töteberg platziert Schmids 23 äußerst treffend zwischen den Stühlen, denn mit seinem durchaus politischen 80er period piece vollführte der Regisseur eine gelungene Gratwanderung zwischen Autorenfilm und gängigem Genrekino. Da es neben dieser noch andere gelungene Analysen und Porträts zu entdecken gibt, die genauso die unmittelbaren ökonomischen und inhaltlichen Probleme thematisieren, ist das Buch zum Glück mehr als nur ein weiterer publizistischer Gemischtwarenladen.
Denn trotz – oder gerade wegen – des Fehlens einer vollmundig formulierten „Bewegung“ wird das Bemühen einzelner Personen und Gruppen deutlich, eine Differenz gegenüber bisherigen Erzählstrategien zu behaupten. Und wenn dies vielleicht bedeutet, der Selbstgefälligkeit subventionierter german classics-Zampanos wie Bernd Eichinger ein anderes Kino entgegenzusetzen, dann klingt das vielversprechend. David Kleingers
Buchpräsentation mit einigen der Autoren: Abaton, heute, 19.30 Uhr (21 Uhr: Absolute Giganten, 23 Uhr: Lola rennt)
Michael Töteberg (Hrsg.), Szenenwechsel – Momentaufnahmen des jungen deutschen Films, Rowohlt, Reinbek 1999, 254 S., 19,80 Mark
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