: „Man glaubt, Juden haben Geld“
■ Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main, zur CDU-Erfindung jüdischer Erblasser und deren Bedeutung
taz: Um ihre schwarzen Konten zu tarnen, hat die hessische CDU sie als Vermächtnisse jüdischer Emigranten ausgegeben. Müssten Sie sich nicht freuen, für wie ehrbar jüdische Emigranten gehalten werden?
Salomon Korn: Nein, ich freue mich nicht darüber. Man hat jüdische Emigranten benutzt. Hier kommen einige Dinge zusammen, die mir Sorge bereiten. Einerseits wird das Vorurteil vom „jüdischen Geld“, vom „jüdischen Kapital“ wiederbelebt. Zum anderen ist es nicht ohne Brisanz, in diesem Zusammenhang von Vermächtnis zu sprechen. Es handelt sich bei diesem Wort ja nicht nur um einen materiellen Akt, sondern gleichzeitig schwingt ein geistiges Vermächtnis mit. Das heißt, diejenigen, die es spenden, so muss es scheinen, tun das nicht auf Grund materieller Interessen wie der Waffenhändler Schreiber, sondern weil sie angeblich geistig mit dieser Partei auf einer Linie liegen.
Worauf kam es den Urhebern der Legende an?
Auf Glaubwürdigkeit. Dabei spielten sie auf antisemitische und philosemitische Klischees gleichzeitig an. Juden und Geld, das scheint von vornherein glaubwürdig, weil da das so genannte „jüdische Kapital“ wieder ins Spiel kommt. Das glaubt man einfach, dass Juden Geld haben. Zum zweiten hoffte man vermutlich, auf diese Weise eine tabuisierte Zone zu schaffen nach dem Motto, da wird schon niemand drin rumstochern, sonst könnte man sich ja dem Antisemitismus-Vorwurf aussetzen.
Spielt diese Erfindung nicht mit der Tendenz der bundesrepublikanischen Gesellschaft, alles, was mit Juden zu tun hat, für absolut gut zu setzen, sodass sich Nachfragen verbieten?
Ich glaube nicht, dass es für absolut gut gesetzt wird. Aber es ist vermutlich ein tabuisierter Bereich. Da sagen Leute, das hat etwas mit Juden zu tun, da geht man eh nicht so dran, die haben eine Sonderstellung. Dieser Bereich ist eben noch sehr emotionsbeladen. Von der so genannten Normalität ist da noch nichts zu spüren.
Was ist die Konsequenz?
Gerade deshalb muss man besonders sensibel damit umgehen. Man soll darüber reden, aber was mich besonders bekümmert ist, dass sich bisher keine Nichtjuden geäußert haben. Es wird wieder mal der jüdische Reflex erwartet: Die nichtjüdische Seite wartet auf unsere Reaktion, statt selbst zu reagieren.
Wie erklären Sie sich das?
Meine Vermutung ist, dass Juden nicht als deutsch betrachtet werden, sondern als anders. Das können Sie daran sehen, dass kein Protest erfolgt. Wenn jüdische Emigranten für so ein Täuschungsmanöver benutzt werden, wird ihnen ja Unrecht getan. Darüber müsste man sich eigentlich empören. Doch das passiert nicht.
An wen richtet sich Ihr Appell zur Entschuldigung?
An die Urheber der Legende. Der langjährige CDU-Schatzmeister Prinz Wittgenstein ist ein Stiefsohn der jüdischen Familie Merton. Er hätte eigentlich wissen müssen, was er tut.
Auch Ministerpräsident Koch hat von Vermächtnissen gesprochen. Was erwarten Sie von ihm?
Herrn Koch ist kein Vorwurf zu machen. Er hat die These nicht in die Welt gesetzt, sondern daran geglaubt. Und glaubwürdig war die Legende ja.
Interview: Patrik Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen