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Eine Denkpause für Damaskus

Syrien sagt überraschend die für heute geplante Fortsetzung der Verhandlungen mit Israel ab. Dort nimmt man die Nachricht gelassen auf. Noch immer herrscht Streit über die künftige Grenze ■ Aus Jerusalem Susanne Knaul

Ohne Aufregung wurde in Israel die syrische Absage der für diese Woche geplanten Fortsetzung der Friedensverhandlungen aufgenommen. „Sie sollen sich Zeit nehmen“, kommentierte Premierminister Ehud Barak gelassen die Verzögerung. Das erste Treffen zwischen Barak und Syriens Außenminister Faruk asch-Scharaa mitgerechnet, hätte heute in den USA die dritte Verhandlungsrunde beginnen sollen. Beide Seiten wollten angesichts der Verschiebung nicht von einer Krise sprechen. Man versuche bereits, sich über einen Ersatztermin zu einigen, hieß es in Jerusalem.

In Damaskus wurde Enttäuschung laut über die Tatsache, dass sich Israel bislang noch nicht zu einem vollen Abzug von den 1967 annektierten Golanhöhen verpflichtet hat. Syrien beharrt darauf, die Grenzfrage vor allen anderen zu klären. Barak erklärte dagegen: „Wir lassen uns von niemandem diktieren, was wir zu tun haben.“ Für die Israelis hat die Frage der Sicherheitsregelungen und der Normalisation des Verhältnisses zwischen beiden Staaten Vorrang. Hinsichtlich der Grenzfrage hatte Barak zwar wiederholt von „schmerzlichen Kompromissen“ gesprochen, doch über den endgültigen Grenzverlauf besteht nach wie vor Uneinigkeit.

Syrien fordert die Rückgabe des gesamten Gebiets bis zur Grenze vom 4. Juni 1967, am Vorabend des Sechstagekrieges. Uneinigkeit besteht zwischen beiden Seiten bereits über den damaligen Grenzverlauf. Israel hat die Grenze niemals anerkannt; es gab bislang keine detaillierten Karten. Erst in diesen Wochen erstellte das Militär auf Anordnung Baraks anhand früherer Luftaufnahmen einen Kartenentwurf.

Politische Beobachter vermuten, dass Syrien nicht nur über die israelische Haltung enttäuscht ist, sondern zudem über das US-amerikanische Arbeitspapier, das anscheinend Grenzkorrekturen vorsieht. Die israelische Tageszeitung Haaretz hatte am vergangenen Donnerstag den vollen Wortlaut des Arbeitspapiers veröffentlicht, was erneuten Grund für syrische Verärgerung bot. Die offizielle syrische Tageszeitung ath-Thaura (Die Revolution) fragte gar, ob es sich um eine gezielte Indiskretion handelte, die darauf ausgerichtet sei, „die Verhandlungen zu töten“. In Damaskus bestand offenbar Sorge, das Papier könne als syrische Konzession interpretiert werden. Tatsächlich fehlt bei der Veröffentlichung das dem Arbeitspapier angehängte Kartenmaterial mit dem geplanten Grenzverlauf.

Syrische Zeitungen berichteten weiter, dass Damakus keinem separaten Frieden zustimmen werde. Aus dem Libanon war gestern erstmals die Bereitschaft der Regierung zu Sicherheitsregelungen mit Israel bekannt geworden. Bislang forderte man in Beirut einen Truppenabzug ohne Vorbedingungen. Aus Washington verlautete unterdessen, dass Damaskus und Jerusalem „innerhalb einer Woche“ Verhandlungsgruppen auf niedrigem Rang nach Shepherdstown schicken werden.

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