: Neuwahlen in Hessen unwahrscheinlich
Misstrauensvotum, Parlamentsauflösung oder Aufhebung der Wahl nicht in Sicht
Während hessische Oppositionspolitiker lautstark die Auflösung des Parlaments verlangen und Ministerpräsident Roland Koch zum Rücktritt aufordern, bleiben Experten skeptisch: „Politisch halte ich Neuwahlen nicht für wahrscheinlich“, so Erhard Denninger, Staatsrechtler an der Universität Frankfurt.
Nach hessischem Recht führen vier Wege zurück an die Wahlurnen: Das Parlament könnte sich selbst auflösen. Binnen 60 Tagen stünden dann Neuwahlen in Hessen an. Ministerpräsident Roland Koch könnte zurücktreten oder einem Misstrauensvotum zum Opfer fallen. Schließlich kann ein Wahlprüfungsgericht die Hessen-Wahl nachträglich für ungültig erklären.
SPD und Grüne haben sich bereits für die erste Variante entschieden: In der nächsten Plenarsitzung wollen sie den Landtag auffordern, sich in offener Abstimmung selbst aufzulösen. Dazu ist eine absolute Mehrheit von 56 der 110 Stimmen nötig. Damit bleibt der Opposition eine knappe Woche, die Mehrheitsverhältnisse in Wiesbaden umzudrehen: Die CDU verfügt dort über fünfzig, die FDP über sechs Sitze. Für noch unwahrscheinlicher hält Erhard Denninger ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Koch: „Auch dafür braucht es eine absolute Mehrheit.“ Koch selbst hat Rücktrittsforderungen bisher energisch zurückgewiesen.
Bleibt die Frage, ob der CDU-Wahlsieg überhaupt Bestand hat. Sollte das Wahlergebnis durch „strafbare oder gegen die guten Stitten verstoßende Handlungen“ erheblich beeinflusst worden sein, so kann es laut hessischer Verfassung vom Wahlprüfungsgericht nachträglich für ungültig erklärt werden. „Dafür müsste man beweisen, dass die CDU ihren Wahlkampf mit Geld von Schwarzkonten geführt hat und eben diese Wahlpropaganda die Hessen bei ihrem Urnengang entscheidend beeinflusst hat“, so Denninger.
Letztlich hätte jedoch nicht die massive CDU-Kampagne, sondern die 5,1 Prozent Stimmen des Koalitionspartners FDP die Wahl entschieden, meint der Parteienforscher Dieter Roth.
Der Vorsitzende das Wahlprüfungsgerichts, Bernhard Heitsch, sondiert derzeit, ob das Gericht überhaupt in Vorermittlungen treten wird. „Wir haben die Wahl bereits für gültig erklärt“, so Heitsch. Es sei unklar, ob das Gericht auf eigene Initiative das abgeschlossene Verfahren wieder aufnehmen könne oder dazu Anträge – etwa einer Partei – vorliegen müssten. „Jeder Bürger Hessens kann die Wahl anfechten. Bisher ist bei mir ein solcher Antrag noch nicht eingegangen.“ Markus Wierz
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